Vor 130 Jahren ging von Bern aus eine Welle der Solidarität durch die ganze Schweiz für die von den Osmanen massakrierten Armenier. Erneut sind die Armenier bedroht, in Berg-Karabach existentiell. Die Kundgebung in Bern vom 23. September 2023 sollte eine neue Welle der Unterstützung für die Armenier auslösen. Die brauche es dringend, so der Tenor der Veranstaltung. Politiker aller Couleur riefen die Bevölkerung und den Bundesrat auf, konkret zu werden und den Armeniern zu helfen.

Am 23. September dominierte Rot, Blau und Orange auf dem Berner Münsterplatz. Unter den Farben der armenischen Flagge versammelten sich rund 250 Personen. Eingeladen hatten die Gesellschaft Schweiz-Armenien (GSA), Menschenrechtsorganisationen und weitere Armenienverbände.

Was GSA-Co-Präsident Sarkis Shahinian eingangs forderte, wurde von allen Rednern mit Nachdruck unterstrichen: Das Schweigen der internationalen Gemeinschaft, inklusive der „unglaublichen Stille des Bundesrats“, muss endlich einer deutlichen Verurteilung des Aggressors Aserbaidschan und der Solidarität mit Armeniern weichen.

Völkermord verhindern

Shahinian nannte drei Punkte: Erstens: Sanktionen müssten gegen die Verantwortlichen der militärischen Aggression Aserbaidschans ergriffen werden. Zweitens müsste humanitären Organisationen der Zugang zur Zivilbevölkerung in Berg-Karabach verschafft werden. Drittens müsste alles unternommen werden, um eine ethnische Säuberung, ja, einen Völkermord an den Armeniern zu verhindern.

50 Bundesparlamentarier hätten bereits eine entsprechende Petition zuhanden des Bundesrats unterzeichnet. „Und weil Würde keine Partei kennt, sondern nur Prinzipien, fordern wir auch alle anderen zum Unterschreiben auf“, sagte Shahinian.

Joel Veldkamp von Christian Solidarity International kritisierte die Haltung des Westens scharf: «120‘000 Menschen werden für Öl, Gas und einen vorübergehenden strategischen Vorteil geopfert!“ Aserbaidschans Aggression gegen die Karabach-Armenier ziele auf deren Vernichtung. Veldkamp fragte: „Welche Rolle übernimmt die Schweiz: Folgt sie der EU- und NATO-Linie? Oder unterstützt sie ihrem Erbe gemäss den Frieden und die Menschenrechte? Es bleibt keine Zeit mehr. Wir müssen uns jetzt entscheiden!“

Sofortmassnahmen nötig

Für Stefan Müller-Altermatt (Nationalrat Die Mitte, Co-Präsident GSA) braucht es Sofortmassnahmen zum Schutz der Menschen in Berg-Karabach und gleichzeitig politischen Druck, „um die Ausweitung des Genozids zu verhindern“: „Die Schweiz muss im UNO-Sicherheitsrat endlich Klartext reden.“ Müller-Altermatt geisselte die wirtschaftlichen Verbindungen mit Aserbaidschan: „Es ist eine Schande, dass die Munition, welche die Armenier tötet, mit Geld bezahlt wird, das in Genf erwirtschaftet wird. Und es ist eine abgrundtiefe Schande, dass die Migros noch immer mit dem Regime in Baku geschäftet.“

Markus Widmer von der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) betonte, dass es im Fall von Berg-Karabach auch um das Selbstbestimmungsrecht eines Volkes gehe. Aserbaidschan überfahre dieses Menschenrecht mit Gewalt. Widmer forderte die vollständige Entmilitarisierung des Konfliktgebiets und den Einsatz von UNO-Sonderberichterstattern.

Anna Tanner, Vizepräsidentin der SP Kanton Bern, äusserte tiefe Betroffenheit über die Menschenrechtsverletzungen in Berg-Karabach. „Das muss Konsequenzen haben!“, rief sie. Die Schweiz müsse endlich Partei ergreifen für die Opfer.

Migros-Verantwortliche konfrontieren

Andreas Gafner (Nationalrat EDU) rief zum Widerstand gegen das unsägliche Schweigen auf: „Wir wollen dieser grossen Ungerechtigkeit trotzen.“ Man könne ganz praktisch werden und beispielsweise die Migros-Verantwortlichen mit der Tatsache konfrontieren, dass ihre Geschäfte mit SOCAR das Regime in Baku und damit die Vertreibung der Karabach-Armenier mitfinanziere.

Auch Erich von Siebenthal (Nationalrat SVP) bezeichnete es als „eine Schande, dass die Weltpolitik nicht im Stande ist, diese Tragödie zu verhindern. Mütter, Väter und Kinder verlieren gerade ihre geliebte Heimat“. Jetzt gelte es Solidarität zu bekunden, die Stimme zu erheben, humanitäre Hilfe zu leisten und politisch aktiv zu werden.

Die Schweiz sei im Umgang mit Minderheiten vertraut, meinte Marc Jost (Nationalrat EVP). „Neben humanitärer Unterstützung rufe ich den Bundesrat auf, die Schweizer Diplomatie gemeinsam mit internationalen Organisationen zu aktivieren, um 120’000 Menschen eine Zukunft zu sichern.“

Völkerrechtswidrige Haltung Aserbaidschans verurteilen

Für Christine Badertscher (Nationalrätin Grüne) gilt es zu verhindern, „dass eine autokratische Regierung die Tatsache, dass unsere Augen auf die Ukraine gerichtet sind, ausnutzt, um ungestraft neue Verbrechen gegen die Armenier zu begehen.“ Die Schweiz müsse im UNO-Sicherheitsrat die völkerrechtswidrige Haltung Aserbaidschans verurteilen und alles daran setzen, Menschenleben zu retten.

Miganouche Baghramian von der Union Arménienne de Suisse (UAS) fasste abschliessend nochmals alle Argumente dieses Weckrufs von Bern zusammen. Heftige Kritik übte auch sie am Verhalten der europäischen Staaten, denen das Öl und Gas aus Aserbaidschan offensichtlich den Mund verschliesse. Es gelte die Aggression Aserbaidschans zu stoppen. Sollte Berg-Karabach in die Hände der Aseris fallen, stünde als nächstes Südarmenien in Gefahr und letztlich ganz Armenien.

Bern war der Auftakt für weitere Kundgebungen in London, Brüssel, Nicosia, Athen, Marseille, Valence, Clermond Ferrand, Wien und Stockholm.

Quelle: Medienmitteilung Gesellschaft Schweiz-Armenien GSA