Mit einem Besuch des Russendenkmals an der Gotthardstrasse über die Alpen hat Präsident Medwedew am Dienstag seinen Staatsbesuch in der Schweiz fortgesetzt. Es war eine Reverenz an General Suworow, der vor genau 210 Jahren die Eidgenossen vor der Einverleibung durch Frankreich zu retten versuchte. Die Schweizer haben dem alten Russland noch mehr zu verdanken: Es war ein Aussenminister von Zar Alexander I., Capodistria, der ihnen die bis heute bewährte konföderative Verfassung beschert hat.
Das alles ist heute aber nicht nur russisch-schweizerische Erinnerungskultur. Medwedew am Kriegerdenkmal an der Teufelsbrücke steht als Signal für die politische und wirtschaftliche Rückkehr des neuen Russland ins Herz von Europa. Auch als geistige Kraft: First Lady Swetlana besuchte ostentativ die russische Kirche in Zürich. Sie unterstrich damit die wachsende Präsenz des orthodoxen Christentums in der Schweiz. Es bildet mit um die 150‘000 Gläubigen schon die drittgrösste der dortigen Kirchen, noch dazu eine Glaubensgemeinschaft, die weder unter Austritten noch inneren Richtungskämpfen zu leiden hat. Die mit ihrer klaren Bejahung von unaufgebbaren christlichen Werten gerade immer mehr Schweizerinnen und Schweizer anzieht, die von der Orientierungslosigkeit in Katholizismus und Protestantismus verunsichert sind.

Als das russische Präsidentenpaar am Nachmittag die Schweiz verliess, hatte es nicht nur das „heilige Russland“ repräsentiert. Für Moskau als Aussenstehender zur EU sind die Schweizer zentrale Partner geworden, neben Brüssel sogar wichtige Verbündete. In Bern war die Rückendeckung von Medwedew für das „Bankgeheimnis als Menschenrecht“ eine nicht zu überhörende Spitze gegen dessen Infragestellung durch die EU mit Deutschland und Frankreich als Wortführern. Auch für den kleinen Rest von EFTA, der noch übrig ist, brachte Medwedew neue Hoffnung aus dem Osten: Er ventilierte in der Schweiz einen Beitritt von Russland zur Freihandelszone, von der sonst nur noch Liechtenstein, Norwegen und Island übrig geblieben sind. Mit Russland könnte die EFTA aber eine neue Alternative zur EU darstellen.

Von Dr. Heinz Gstrein