Pünktlich zu Ostern wurde auf dem TV-Sender RTL „Die Passion“ übertragen, mit prominenten Schauspielern und bekannten Pop-Songs, live vom Burgplatz in Essen. Neben hohen Einschaltquoten gab es jedoch bereits während der Ausstrahlung in den sozialen Medien einen heftigen Shitstorm. Doch ist dieser gerechtfertigt?

Ein Kommentar von Dario Gheno

Am Mittwoch vor Ostern strahlte der Kölner Fernsehsender eine sehr modern adaptierte Version der biblischen Ostergeschichte aus. Es war ein Live-Spektakel aus der Essener Innenstadt. Dargestellt wurde es von bekannten deutschen Schauspielern wie Thomas Gottschalk, Ella Endlich und Henning Baum und ausgeschmückt mit bekannten Popsongs. Parallel dazu wurde ein riesiges leuchtendes Kreuz drei Kilometer durch die Stadt getragen. Dieses Konzept gibt es bereits seit rund zehn Jahren in den Niederlanden und wird dort auch sehr erfolgreich umgesetzt. Die teilnehmenden Organisationen der Passionsarbeit sehen darin eine Chance, Ostern und das Christentum wieder ins allgemeine Bewusstsein der Gesellschaft zu bringen.

Zu den nun laut gewordenen Kritikern der deutschen Ausstrahlung gehören nebst vielen Einzelstimmen in den sozialen Medien auch einige grosse Medienhäuser, darunter z.B. die Bild-Zeitung. Kurz zusammengefasst wird RTL die Ausstrahlung eines religiösen Kirchenformats, der Wille zur niederschwelligen Evangelisation und eine schlechte Inszenierung vorgeworfen.

Treffend begannen jedoch die Worte Gottschalks: „Jedes Kind kennt den Osterhasen, aber fragen Sie Ihren Nachwuchs, was in der Karwoche passiert ist. Trotzdem und vielleicht gerade deswegen erzählen wir Ihnen heute in neuer Form die alte Geschichte. Es geht um Freundschaft, Liebe, Verrat und Leid, aber auch um Hoffnung, Zuversicht und Vergebung. Themen, die heute wahrscheinlich aktueller sind als jemals zuvor.“ Und etwas später: „Wenn wir die aktuelle Situation betrachten, haben wir Menschen weder in den letzten 50 Jahren noch den letzten 2000 Jahren etwas dazu gelernt.“

Persönlich würde auch ich einiges an diesem TV-Format zu kritisieren finden, trotzdem war ich positiv überrascht über das gelungene Spektakel. Die wichtigsten Eckpunkte der Passionsgeschichte blieben erhalten, die Adaptierung der biblischen Geschichte erschien stellenweise jedoch zu modernisiert. Die modernen Popsongs, welche in die Geschichte mit eingeflochten wurden, waren aus Zuschauersicht sicher gut gewählt, auch wenn moderne christliche Lieder wahrscheinlich besser gepasst hätten. Schade war zudem, dass das meiste als Clips vorproduziert und nicht live auf der Bühne gespielt wurde. Neben ausgesprochen gelungenen Moderationen waren mein persönliches Highlight die Blicke zur Prozession, bei der teils tiefgläubige Christen ihre emotionalen Geschichten erzählten, wie sie zum Glauben fanden oder was ihnen der Glaube bedeutet. Davon hätte ich gerne mehr gesehen.

Mein Fazit zu den vielen kritischen Stimmen: In Zeiten von vor Gewalt strotzenden und blutrünstigen Filmen sowie Trash-TV mit Reality-Formaten, bei denen es um „Nackt-Dating“, „One-Night-Stands“ und Ähnliches geht, darf und muss auch ein Format wie „Die Passion“ Platz haben in der Fernsehlandschaft. Auch wenn es Kritik von vielen Seiten gab, soll uns weiterhin bewusst bleiben, auf welchen Werten unsere Gesellschaft aufgebaut ist, woher diese kommen und mit welchen Geschichten sie zusammenhängen. Wie Gottschalk so schön sagte: Das wichtigste, was uns Jesus Christus lehrte, ist die Nächstenliebe, und genau diese Aussage kam deutlich rüber.

Von Seiten RTL war es sehr mutig und eine durchaus gelungene Umsetzung. Verbesserungen sind dabei immer möglich. Persönlich fände ich es wünschenswert, solche TV-Experimente auszubauen, und hoffe auf eine künftige, genauso mutige schweizerische Adaption. RTL erwägt jedenfalls bereits eine Fortsetzung im Jahr 2023. Man darf also gespannt sein auf die Neuauflage. Ich werde sie mir auf alle Fälle anschauen.