Das Schweizer Volk hat am 29. November mit klarer Mehrheit von fast 58 Prozent das Verbot der Errichtung von Minaretten durch die Bundesverfassung beschlossen. Das ist nicht nur ein Erfolg für die mit engagierten Parteien EDU und SVP, sondern vor allem ein Votum gläubiger Christen: Von meist einfachen Menschen, die mutig genug waren, die abgegebenen gegenteiligen Abstimmungsempfehlungen aller anderen Parteien und leider auch der meisten Kirchenleitungen nicht zu befolgen. Schweizerinnen und Schweizer haben damit ihre Treue zu Christus und zur Heimat unter Beweis gestellt.
Nun wird versucht, jede Umsetzung des Volksentscheids in Sachen Minarett wegen dessen angeblicher Unvereinbarkeit mit dem Menschenrecht der Religionsfreiheit und den Grundsätzen des internationalen Völkerrechts zu verhindern. Manche wollen sogar das Bundesgericht in Lausanne und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg einschalten. Doch ist das Schweizer Minarettsverbot menschen- und völkerrechtlich gut abgesichert.
Was zunächst den Einwand betrifft, das verfassungsrechtliche Verbot von Minaretten verstosse wider das Prinzip der Religionsfreiheit und die Schweizerische gesetzliche Ordnung, hat ein juristischer Fachmann und unverdächtiger Gewährsmann schon widerlegt: Dr. Erich Tanner, Berater der katholischen Bischofskonferenz in ihrer Ablehnung der Minarettinitiative. Tanner war dennoch als Jurist redlich genug, in seinem Fachgutachten hinsichtlich eines Minarettverbots einzuräumen: „Es tastet aber nicht den Kerngehalt der Religions- und Eigentumsfreiheit an und auch nicht den Kerngehalt des Anspruchs auf Religionsgleichheit … Ein Minarett als Artefakt ist nicht Bestandteil angeborener oder erworbener Eigenschaften von Muslimen und Musliminnen, sondern ein Mittel zur Signalisierung und Visibilisierung der fortschreitenden Etablierung des Islams bzw. der Muslime und Musliminnen mit ihrer kulturell-religiösen Identität in der hiesigen Gesellschaft.“ (Nachzulesen in der Schweizerischen Katholischen Kirchenzeitung SKZ Nr. 38 vom 17. September 2009, S. 637-38.)
Sogar nach dem sonst einseitig islamlastigen und oft regelrecht kirchenfeindlichen Sammelwerk „Muslime und schweizerische Rechtsordnung“ wird „die Religionsfreiheit durch die Verweigerung einer Baubewilligung für eine Kirche (oder ein anderes Gebetshaus) nicht berührt“. Das steht auf Seite 221 des schon 2002 und damit lang vor jeder Minarettdebatte von René Pahud De Mortanges und demselben Erwin Tanner im Rahmen der Freiburger Veröffentlichungen zum Religionsrecht als Band 13 herausgegebenen Sammelwerkes mehrerer Autoren, unter ihnen der bekannte Vorzeigemoslem Tareq Ramadan.
In der Frage des mit der Existenz von Minaretten organisch verknüpften Gebetsrufes (adhan) steht bei der schweizerischen Rechtsdiskussion bisher einseitig der Aspekt der damit verbundenen „Schallimmissionen“ im Vordergrund. In den Mittelpunkt der Auseinandersetzung müsste hingegen im Kontext des Diskriminierungsverbots der alle anderen Religionen provozierende Inhalt des Gebetsrufes (Es gibt keinen Gott ausser Allah und Mohammed ist sein (einziger) Gesandter…) treten. Das christliche Glockengeläut ist im Vergleich dazu von seiner Aussage her völlig neutral.
Das Grundrechte der Religionsfreiheit (Art. 15 BV) und das Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV) dürfen nicht nur zugunsten der Moslems angewandt werden. Sie haben auch die alteingesessenen Christen, Juden und anderen Religionsgemeinschaften vor einer islamischen Grundhaltung und Praxis zu schützen, die volle Menschenrechte nur den Moslems zubilligt, alle Andersgläubigen hingegen bestenfalls diskriminiert oder gar mit der Ausrottung bedroht. Mag sich die moderne Schweiz auch nicht mehr als christlicher Staat, sondern bestenfalls als Exponent „eines säkularisierten Christentums humanistisch-idealistischer Prägung“ verstehen (vgl. Steiner, Paul: Die Präambel der Schweizerischen Bundesverfassung „Im Namen Gottes des Allmächtigen“ in Stillstand und Fortentwicklung im Schweizerischen Recht, Bern 1965, 432, oder Rich, Arthur: Theologische Erwägungen zur Präambel der Schweizerischen Bundesverfassung in Reformatio – Evangelische Zeitschrift für Kultur und Politik XXV 1, Basel 1976, 29 ff), so ist auch der säkulare Staat verpflichtet, die Menschenrechte seiner gesamten Bevölkerung zu schützen und gegebenenfalls zu verteidigen, so jetzt durch eine zügige Umsetzung des beschlossenen Minarettverbots.
Laut dem österreichischen Bischof von St. Pölten, Klaus Küng, sollten Moslems überhaupt auf den Bau von Moscheen verzichten, solange Kirchenbauten in islamischen Ländern verboten sind. Er sei für Toleranz, diese müsse aber unbedingt gegenseitig sein. Damit wird in Sachen Minarett das völkerrechtliche Gegenseitigkeitsprinzip angesprochen: Wie du mir, so ich dir. Sicher ist Religionsfreiheit als solche ein europäischer Wert, der auch ohne Gegenseitigkeit angewandt werden muss. In Detailfragen, wie gerade dem Bau von Minaretten, ist das Gegenseitigkeitsprinzip sehr wohl anwendbar. Das war zwischen Osmanischem Reich und sich als christlich verstehenden Staaten eine Jahrhunderte lang bewährte Praxis. Sie wurde im so genannten Kapitulationsrecht verankert, das neben der geistlichen Scharia und dem positiven Staatsrecht „Kanun“ die dritte Hauptkategorie des Osmanischen Rechtes darstellt. Vom französischen König Franz I. bis zum Sommer 1914, als diese „Kapitulationen“ aufgehoben wurden, war die gegenseitige Sicherung der religiösen Freiheiten und Stätten auf islamischer und christlicher Seite ein Bereich hoher diplomatischer Kunst und Rechtsgelehrtheit. Ihr verdanken z.B. auch die schweizerischen reformierten Kirchen in Alexandria und Kairo ihre Existenz.
Auch der heutige Bundesrat wäre es den z.B. in Saudi-Arabien jeder religiösen Freiheit beraubten Schweizer Bürgerinnen und Bürgern schuldig, den Saudis und von ihnen kontrollierten Muslimorganisationen keine Pauschalfreiheiten für Moscheen und gerade Minarette in der Schweiz einzuräumen, wie das bei der Moschee von Genf leider bereits der Fall gewesen war.
Von Dr. Heinz Gstrein