Im Laufe des Mai sind in der Demokratischen Republik Kongo bei religiös motivierten Angriffen auf die christliche Zivilbevölkerung erneut rund fünfzig Menschen ums Leben gekommen. Im Osten des zentralafrikanischen Landes kommt es seit einigen Jahren immer wieder zu Angriffen der islamisch geprägten Rebellengruppe „Muslim Defense International“ (MDI), berichtet das Internationale Hilfswerk Open Doors.
Einheimische Zivilorganisationen haben nun dem Präsidenten Joseph Kabila geschrieben, mit der Bitte, dass die fortwährenden Attacken auf Zivilisten verurteilt und künftig verhindert werden. Allein von Oktober 2014 bis im noch laufenden Mai 2016 wurden 1‘116 Menschen ermordet, im Schnitt 60 pro Monat. Weitere 1‘470 Personen sind entführt worden und Zehntausende befinden sich auf der Flucht.

Recherchen von Open Doors in den betroffenen Gegenden haben ergeben, dass viele der Übergriffe, sich gezielt gegen die christliche Zivilbevölkerung richten. Seit mehreren Jahren werden sie Opfer der „Muslim Defense International“ (MDI), ehemals „Allied Democratic Forces“ (ADF), die im Gebiet der Grossen Seen einen Brückenkopf einrichten will und die versucht, in ihrem Einflussgebiet die christliche Bevölkerung zu vertreiben.

Diakonin getötet

In diesem Monat mussten bereits mehr als 70 Menschen ihr Leben lassen. Am 3. Mai 2016 brachten Islamisten mit Macheten und Äxten bis zu vierzig Dorfbewohner in Kamangu in der Provinz Nord-Kivu um. Tausende flohen nach der zweiten Angriffswelle, bei der am 6. Mai in der gleichen Provinz, in Eringeti, bis zu fünfzehn weitere christliche Zivilsten getötet worden waren, darunter die Anbetungsleiterin und die Diakonin der lokalen Kirche, die dem Verband „Mission Eglise du Rocher“ angehört.

Dieser Kirchenverbund hatte bei einem vergleichbaren Angriff im Oktober 2014 in der Ortschaft Cadeau bereits einen Pastor und seine Frau verloren. Die Kirchgemeinde und die ihre angegliederte Schule sind seither geschlossen. Dazu kommen 25 weitere Tote in den ersten Maitagen in drei anderen Ortschaften.

„Klima des Völkermords“

Diakonin Eva Makanaiye hinterlässt fünf Kinder im Alter von zwei bis zwölf Jahren, gleichviele wie die Anbetungsleiterin Rose. Schon vor einem Jahr, im Mai 2015, prangerten die Bischöfe der Kirchenprovinz Bukavu, die sechs Bistümer umfasst, in einem Schreiben ein „Klima des Völkermords“ an. Denn auch die Provinz Süd-Kivu mit ihrer Hauptstadt Bukavu ist von den Übergriffen betroffen. Sie legen der kongolesischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft Passivität zur Last. „Muss die Lage noch schlimmer werden, bevor die internationale Gemeinschaft Massnahmen gegen den Dschihad ergreift?“

Insgesamt brannten die Islamisten seit Oktober 2014 1‘750 Häuser nieder sowie 13 Gesundheitszentren. 27 Schulen wurden entweder zerstört oder von Bewaffneten besetzt. Systematisch werden Wirtschaftsgüter und andere Ressourcen geplündert.

Internationale Solidarität gefordert

Ein lokaler Kontakt erklärte gegenüber Open Doors, dass es bei diesen Terror-Akten darum gehe, die mehrheitlich christliche Bevölkerung aus einem riesigen Gebiet im östlichen Kongo zu vertreiben. „Ein gewaltiges Gebiet südlich von Eringeti ist bereits verlassen. Jetzt fliehen die Menschen aus einer riesigen Gegend nördlich von Eringeti. Die meisten von ihnen sind Christen.“
Der MDI zieht vorweigend ausländische Islamisten an. Bekannt ist, dass mittlerweile Christen gezwungen werden, zum Islam zu konvertieren. Die Bischöfe aus Bukavu berichten von „einer Strategie der Zwangsumsiedlung von ganzen Bevölkerungsgruppen, um allmählich das Land zu besetzen und Trainingslager für Terroristen einzurichten.“

Oma Kavota, Geschäftsführer des „Study Centre for the Promotion of Peace, Democracy and Human Rights” fordert internationale Solidarität. „Wir sind sehr beunruhigt, über diese wachsende Unsicherheit in Nord-Kivu und Ituri. Wir fordern internationale Solidarität, damit die Menschen in diesem Teil des Landes endlich vor Bedrohungen sicher sein und in Frieden und dauerhafter Sicherheit leben können.“ Ituri, ist ein Distrikt im Osten der an Nord-Kivu angrenzenden Provinz Orientale. Ituri ist rund eineinhalb Mal so gross wie die Schweiz.

Scharia und Kalifat

Befürchtet wird, dass sich mit der MDI neben Boko-Haram, deren Angriffe sich auf Nigeria, aber auch auf die Nachbarländer Kamerun, Niger und Tschad konzentrieren, eine weitere, noch relativ unbekannte militante islamische Gruppe etablieren könnte. Diese Dschihadisten hatten zunächst versucht, in Uganda eine fundamentalistisch-islamistische Regierung einzusetzen, doch sie wurden in die Grenzregion zur DRK verdrängt und sind nun daran, im Nachbarland Fuss zu fassen.

Im Osten der DRK lebten lange kaum Muslime, bis islamische Missionare innerhalb weniger Jahre mehr als zwei Dutzend Moscheen errichteten, ein Kalifat zwischen der Ortschaft Beni, Eringeti und der Grenze zu Uganda ausriefen und die Scharia einführten, wie ein einheimischer Informant gegenüber Open Doors erklärt. „Alle nicht-muslimischen Bewohner werden von den Islamisten als Hindernisse bei der Errichtung eines Kalifats im Ostkongo gesehen.“ Deshalb die Vertreibungen. „Aber die Internationale Gemeinschaft hat diese verheerenden Entwicklungen kaum wahrgenommen.“ Laut der Zeitung „Independent Catholic News“ stieg in dieser Landesgegend die Anzahl Muslime innerhalb weniger Jahre von 1 auf 10 Prozent.