Jede fünfte Person in der Schweiz ist über 65 Jahre alt, in zehn Jahren wird es bereits ein Viertel der Bevölkerung sein. Was denken Verantwortliche von lokalen und regionalen kirchlichen Seniorenangeboten von diesem massiven demografischen Wandel und seiner Bedeutung für ihre Arbeit? Eine Spurgruppe der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) liefert wichtige Erkenntnisse als Basis für die neue Arbeitsgemeinschaft „Perspektive 3D‟ der SEA. Erstes Highlight soll ein Inspirations- und Vernetzungstag im Oktober in Bern sein, gibt die SEA in ihrer Medienmitteilung vom 21. Januar 2022 bekannt.

An einer Online-Befragung im Sommer 2021 haben 155 Personen teilgenommen. Die meisten haben in ihrer Kirche eine leitende Funktion im Bereich der Seniorenarbeit. Fast die Hälfte der Teilnehmenden sind Pfarrpersonen und Pastoren, jede fünfte Person arbeitet freiwillig mit. Viele der Befragten engagieren sich in Seniorennachmittagen (72,3 Prozent), Besuchsdienst (63,2 Prozent) oder in der Seelsorge (56,1 Prozent).

55+ ticken sehr unterschiedlich und wollen beteiligt werden

In der Studie kommt zum Ausdruck, was die Forschung schon lange bestätigt: Die Situation und Bedürfnisse von Menschen ab 55 Jahren sind vielfältig. Bis 75 sind die meisten Menschen ziemlich gesund und freiheitsliebend. An der klassischen Seniorenarbeit besteht bis dahin mehrheitlich kaum Interesse. Dies hat Konsequenzen für die kirchliche Arbeit mit der Altersgruppe 55+. 54 Prozent der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer beschäftigt es, wie sie die unter 75-Jährigen für Kirche und Gemeinde gewinnen können.

Gemäss den Befragten engagieren sich über zwei Drittel der 55+-Generation freiwillig in der Kirche. Der gängige Dreiklang klassischer Seniorenarbeit von „Input – Kaffee – Kuchen‟ wird als „Abstellgleis‟ verstanden. Passives Empfängertum ist unattraktiv. Jemand schreibt: „Leute auf keinen Fall unterschätzen! Ihnen etwas zutrauen und zumuten. Viel Kompetenzen und Ressourcen vorhanden, wenig genutzt.‟

Dualismus von Glaubens- und anderen Fragen

65 Prozent der Befragten denken, dass ein gutes Zurechtkommen mit dem Älterwerden im Rahmen ihrer 55+-Angebote gefördert wird. 68 Prozent finden, dass die bestehenden Angebote dazu dienen, ältere Menschen im Glauben zu fördern. Glaubensthemen, so sagen 67 Prozent der Befragten, entsprechen einem Bedürfnis der Teilnehmenden.

Es besteht offensichtlich ein gewisser Dualismus zwischen Glaubensfragen und Nicht-Glaubensfragen. Geht es um Beziehungen, Demenz, Palliative Care, Sterbehilfe, Sterbevorsorge, Wohnsituation usw., besteht ein gewisses Interesse. Während ein Teil der Befragten sich zu genau diesen Themen mehr Inspiration wünscht, weisen verschiedene Befragte darauf hin, dass bereits diverse säkulare Anbieter zu diesen Themen Hilfe bereitstellen, und sich deshalb säkulare Bildungsfragen in der Kirche eher erübrigen.

Aus der Forschung ist bekannt, dass die Klärung von Fragen rund um das Älterwerden ab 55 Jahren relevant wird. 55 Prozent der Befragten sind denn auch sehr an einer Ideen- und Ressourcen-Plattform zum Thema «Perspektiven für Menschen im dritten Drittel des Lebens» interessiert. 54 Prozent wünschen sich ein Netzwerk und Austausch zum Thema.

Wunsch nach Vernetzung führt zu einer Bewegung für mündiges Älterwerden

Vor diesem Hintergrund gründet die SEA die Arbeitsgemeinschaft „Perspektive 3D – Das dritte Drittel des Lebens mündig und glaubensstark gestalten‟ und lanciert am 28. Oktober in Bern den „Perspektive 3D-Tag‟: ein Tag zur Inspiration und Vernetzung aller über 55-Jährigen, die Freude am Gestalten von neuen Wegen im dritten Drittel des Lebens haben.

Das Projektteam der SEA träumt davon, im Laufe der kommenden fünf Jahre unter Menschen über 55 in der Schweiz eine Bewegung auszulösen und zu ermöglichen. Das Ziel ist die Zugänglichkeit von konkreten Hilfen für ein innerlich gesundes und mündiges Älterwerden bis zum letzten Atemzug. Mit dieser Absicht werden Menschen vernetzt und Ressourcen verfügbar gemacht und damit ein Beitrag zum Miteinander der Generationen geleistet. Alte sollen nicht belasten, sondern beflügeln. Träger der Bewegung werden – so die Hoffnung – Verantwortliche von lokalen und regionalen Seniorenangeboten sowie kirchennahe Initiativen/Institutionen sein.