Unter dem Tenor „Einander anvertraut – Es braucht Assistenz zum Leben, nicht Hilfe zur Selbsttötung!“ erklären sich die österreichischen Bischöfe aus Anlass des Tages des Lebens (1. Juni 2021) zur Diskussion um Sterbehilfe. In einer eigenen Erklärung zum alljährlichen Tag des Lebens thematisiert die Österreichische Bischofskonferenz das Urteil des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes (VfGH) zur „Sterbehilfe“ und dessen Folgen. Die Entscheidung sei zu respektieren, heisst es in dem Schreiben der Bischöfe, gutheissen müsse man sie deswegen aber nicht.

Durch das Urteil werde man in die Situation versetzt, zwischen „guten“ und „schlechten“ Suiziden unterscheiden zu müssen. Wenn aber künftig nicht mehr jeder Suizid als menschliche Tragödie gesehen werde, habe dies gravierende Folgen für unsere solidarische Verantwortung. „Wenn Menschen Todeswünsche äussern, so meinen sie in den allermeisten Fällen nicht, dass sie nicht mehr leben wollen, sondern dass sie ‚so‘ nicht mehr leben wollen.“ Daran gelte es anzusetzen und den Betroffenen in genau solchen Situationen menschliche Nähe zu schenken, Schmerzen zu lindern und eine tatsächliche Autonomie zu gewährleisten. Es brauche unbedingt eine Assistenz zum Leben, aber keine Hilfestellung zur Selbsttötung.

Assistenz zum Leben und keine falsche Autonomie

Vorsicht geboten sei zudem bei der Verwendung des Begriffs der Selbstbestimmung. Es sei eine Illusion zu glauben, wir Menschen könnten in jeder Lage vollkommen unabhängig über uns selbst bestimmen. Ganz im Gegenteil. Die Bischöfe unterstreichen, dass die Menschen einander bräuchten, weil sie soziale Wesen und immer abhängig und empfänglich für die Erwartungen und Wertzuschreibungen der sie umgebenden Menschen seien. In diesem Zusammenhang verweisen die Bischöfe auf einen Appell von Philippe Pozzo di Borgo, dessen Leben aus der berühmten Verfilmung „Ziemlich beste Freunde“ bekannt ist. Durch einen Unfall erlitt Pozzo di Borgo eine Querschnittslähmung, die ihn dazu veranlasst hätte, Euthanasie in Anspruch zu nehmen, wenn ihm nicht der Wert seines Lebens durch seine Betreuer und Verwandten bewusstgemacht worden wäre. Die Wertschätzung der Menschen in seinem Umfeld hätte ihn davon überzeugt, dass seine eigene Würde intakt sei und hätte ihm damit den Willen zum Leben zurückgegeben. Die Bischöfe halten aufbauend auf das Lebenszeugnis von Pozzo di Borgo fest, dass die Würde eines Menschen einzig und allein von seiner Existenz abhänge und nicht davon, ob ihm diese von wem auch immer zu- oder abgesprochen werde.

Bedürfnissen am Lebensende begegnen

Die bisherigen Massnahmen zur Förderung der Palliativ- und Hospizversorgung und die Unterstützung pflegender Angehöriger, etwa durch die Familienhospizkarenz streichen die Bischöfe positiv hervor. Dennoch bleibe nach wie vor die Forderung nach einem flächendeckenden Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung, die allen bis ans Lebensende zur Verfügung stehen solle, aufrecht. Zudem solle das Hospiz- und Palliativ-Care-Basiswissen in die Grundausbildung von Gesundheits- und Betreuungsberufen implementiert werden und die psychosoziale Begleitung für Krisensituationen ausgebaut werden, damit den Bedürfnissen der Menschen am Lebensende gerecht begegnet werden könne.

Ärzte als Hüter des Lebens

Die Ausstattung der auch von der Kirche betriebenen Krankenhäuser, Beratungsstellen, Seniorenwohn- und Pflegeheimen mit Personal, das eine bestmögliche fachliche und menschliche Zuwendung garantiere, sei notwendig, damit niemand mit Schmerzen oder einsam sterben müsse. Dabei dürfe das medizinische Personal nicht gezwungen werden, gegen das eigene Gewissen zu handeln, und soll weiterhin ausschliesslich dem Leben dienen dürfen. „Zum Leben gehört das Sterben, aber nicht das Töten“. Assistierter Suizid dürfe daher niemals als ärztliche Leistung verstanden werden, betonen die Bischöfe.

Anforderungen an das neue „Sterbehilfe“-Gesetz

Mit einer klaren Erwartungshaltung an den Gesetzgeber nimmt die Bischofskonferenz am Ende der fünfseitigen Stellungnahme Bezug auf das künftige „Sterbehilfe“-Gesetz. Damit aus der rechtlichen Möglichkeit zum assistierten Suizid kein „inneres Sollen“ werde, müssten unter anderem eine Absicherung und ein Ausbau der Suizidprävention stattfinden. Des Weiteren müsse man Suizidwillige vor der Einflussnahme Dritter schützen. Ein Schutz des Vertrauens in die Gesundheitsberufe sei ausserdem unentbehrlich und niemand dürfe zur Mitwirkung an einem Suizid, wenn auch nur mittelbar, gedrängt werden. Das Verbot der Tötung auf Verlangen solle zudem mit einer 2/3-Mehrheit im Parlament abgesichert werden.

Die Bischöfe erinnern anlässlich des Tages des Lebens, dass in den entscheidenden bioethischen Fragen nicht der Gleichgültigkeit oder Mutlosigkeit das letzte Wort überlassen werden solle. Es gelte, sich und alle Verantwortungsträger gegenseitig zu einem umfassenden Lebensschutz zu ermutigen und sich dem Wert des Lebens in neuer Dankbarkeit bewusst zu werden. Denn „wir sind einander anvertraut!“ (TS)

Quelle: Institut für Ehe und Familie, 2. Juni 2021