Das in der Schweiz eingeforderte Verbot der Errichtung von Minaretten ist bei den österreichischen Nachbarn seit diesem Frühjahr bereits Wirklichkeit. Zur neuesten österreichischen Einführung eines Minarett-Stopps hat entscheidend jene Studie beigetragen, die von der inzwischen verstorbenen Wiener Innenministerin Liese Prokop im Mai 2006 vorgestellt worden war. Deren Hauptergebnis besagte, dass 45 Prozent der heute in Österreich lebenden Moslems an ihrer Integration gar nicht interessiert sind. Diese in Europa bisher einmalige Studie des deutschen Islamexperten Matthias Rohe (Universität Erlangen) zeigte, dass für 18 Prozent der Befragten die österreichische Bundesverfassung unvereinbar mit dem Koran ist und daher für sie keine Gültigkeit haben könne. Die Hälfte lehnte sogar eine gerichtliche Verfolgung von Personen ab, die am Zustandekommen einer Zwangsehe mitwirken. Dieses „grosse Mass an Distanz zur Mehrheitsbevölkerung“ könne – so Prof. Rohe – „unter ungünstigen Rahmenbedingungen umschlagen in Gegnerschaft“.
Seitdem wird der Bau von Moscheen mit dem islamischen Machtsymbol Minarett in Österreich verstärkt diskutiert. Die christdemokratische (ÖVP) und die nationalliberalen Parteien (BZÖ, FPÖ) fordern ein generelles Bauverbot. Sozialisten und Grüne machen sich hingegen für die „religiösen Rechte“ der Moslems stark. Da das Baurecht nach der österreichischen Bundesverfassung in die Kompetenz der Länder fällt, haben 2008 schon Kärnten und Vorarlberg Gesetze zur Verhinderung islamischer Sakralbauten mit Minaretten erlassen.

Als erste beschloss die Kärntner Landesregierung am 12. Februar 2008 die Schaffung einer eigenen Ortsbildpflege-Sonderkommission, um den Bau von Minaretten in diesem Bundesland zu verhindern. „Die Religionsfreiheit wird durch das neue Gesetz nicht angetastet“, stellte dazu Raumordnungslandesrat Uwe Scheuch fest. „Diese Gratwanderung ist gelungen“, so der Politiker. Landeshauptmann Haider meinte, es gebe innerhalb der Bevölkerung „ein wachsendes Unbehagen mit dem Vordringen eines eher fundamentalistischen Islam“. Er wies auch darauf hin, dass Kärnten das erste Land in Europa sei, welches den Schritt einer Verhinderung von Moscheen mit Minaretten gehe.

Die Diskussionen in Kärnten über ein Verbot von Moscheenbauten wirkten sich auch direkt an der Schweizer Grenze auf Vorarlberg aus. In der Folge forderten die nationalliberalen Parteien FPÖ und BZÖ die Durchsetzung eines Moscheenbauverbots in Vorarlberg, das BZÖ gründete hierzu eine eigene Bürgerinitiative. Hinzu kam die Diskussion über eine in Bludenz geplante Moschee mit Minarett. Am 25. Februar 2008 legte die ÖVP-FPÖ Landesregierung einen Gesetzesentwurf vor, der den Bau von Minaretten neu regelt und praktisch verhindert. Anfang April 2008 wurde vom Vorarlberger Landtag schliesslich ein Gesetz verabschiedet, das „Anlagen für Kultuszwecke“ unter ein Sonderwidmungsrecht stellt. Das Gesetz macht Moscheebauten mit Minaretten oder deren Zubau unmöglich, ohne das Grundrecht auf Religionsfreiheit in der Verfassung zu verletzen.

Der Vorarlberger römisch-katholische Bischof Elmar Fischer bezeichnete inzwischen sogar den Bau von jeder Art Moscheen in Österreich als „Provokation“, die eine krasse Gefährdung des sozialen Friedens darstellen würde. Nach Ansicht Fischers müssten sich Zuwanderer zuerst in einem höheren Ausmass integrieren, bevor die Gesellschaft den Bau von Moscheen akzeptieren könne.

Sogar für den Vorarlberger Integrationslandesrat Erich Schwärzler (ÖVP) „leiste der Bau eines Minaretts keinen Beitrag zur Integration, sondern zur Konfrontation“. Auch der Vorgänger Fischers im Bistum Feldkirch, der St. Pöltener Bischof Klaus Küng, unterstützt seinen früheren Generalvikar in seinem Anliegen. Laut Küng sollten Moslems auf den Bau von Moscheen verzichten, solange Kirchenbauten in islamischen Ländern verboten seien. Er sei für Toleranz, diese müsse aber unbedingt gegenseitig sein.

Damit wird in Sachen Minarett das völkerrechtliche Gegenseitigkeitsprinzip angesprochen: Wie du mir, so ich dir. Sicher ist Religionsfreiheit als solche ein europäischer Wert, der auch ohne Gegenseitigkeit angewandt werden muss. In Detailfragen aber war das Gegenseitigkeitsprinzip zwischen dem Osmanischem Reich und den sich als christlich verstehenden Staaten eine Jahrhunderte lang bewährte Praxis. Sie wurde im so genannten Kapitulationsrecht verankert, das neben der geistlichen Scharia und dem positiven Staatsrecht „Kanun“ die dritte Hauptkategorie des Osmanischen Rechtes darstellt. Vom französischen König Franz I. bis zum Sommer 1914, als diese „Kapitulationen“ aufgehoben wurden, war die gegenseitige Sicherung der religiösen Freiheiten und Stätten auf islamischer und christlicher Seite ein Bereich hoher diplomatischer Kunst und Rechtsgelehrtheit. Ihr verdanken z.B. bis heute die schweizerischen reformierten Kirchen in Alexandria und Kairo ihre Existenz.

Von Dr. Heinz Gstrein