Seit dem 8. Juni läuft die finale Phase des Wettbewerbs für eine neue, angeblich zeitgemässe Nationalhymne. Es sind noch drei Beiträge im Rennen, über die online abgestimmt werden kann. Lukas Niederberger, Geschäftsführer der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG), gibt sich vordergründig immer noch optimistisch. Doch auch er weiss, dass sein Projekt mit grosser Wahrscheinlichkeit gescheitert ist.
Wenn man die neuen Texte mit dem Schweizerpsalm vergleiche, würden sich die Leute sicher für den neuen Text entscheiden, sagte Niederberger gegenüber Radio Rottu Oberwallis. Solche Äusserungen zeugen von einem Zweckoptimismus, dem jede reale Grundlage fehlt. Weiss doch auch Niederberger, dass allein schon die Zahl von 208 eingegangenen Wettbewerbsbeiträgen eine grosse Ernüchterung darstellt und ein relativ geringes Interesse der Bevölkerung am SGG-Wettbewerb offenbart. Zur Erinnerung: 1935 waren 2000 Vorschläge für eine neue Hymne eingegangen. “Es berührt fast peinlich, wie die SGS solche Tatsachen nun bagatellisiert und behauptet, mit nur etwa 30 oder 40 Beiträgen gerechnet zu haben”, findet Hubert Spörri vom “Schweizerischen Kompetenzzentrum zu Fragen rund um den Schweizerpsalm”.

Was Spörri am meisten stört, ist die Tatsache, “dass die SGG die neue Hymne ursprünglich am Volk vorbeischmuggeln und per Hintertür verordnen wollte.” Bei der Ankündigung vom 1. August 2012 war jedenfalls von einer Volksabstimmung keine Rede. Die neue Hymne hätte nach ursprünglichem Fahrplan per 1. August 2015 offiziell eingeführt sein sollen! “Die SGG musste aber von Monat zu Monat zurückkrebsen und spricht nun heuchlerisch von einer Volksabstimmung, wissend, dass es zu dieser wohl nie kommen wird.” Dem deutschen Jouranlisten Oliver Glasnapp soll Niederberger auf die Frage, wieviel Prozent Chance er einer neuen Hymne gebe, geantwortet haben: „20 Prozent“. Trotzdem spricht Niederberger von einem Erfolg: Das Ziel sei erreicht worden. Die Leute unterhielten sich über die Werte, die in der Präambel der Bundesverfassung gepriesen werden. Doch auch das stimmt Spörris Meinung nach nicht: “Die Leute unterhalten sich eher über die Sinnlosigkeit des teuren Projekts, über die Selbstherrlichkeit und Arroganz der SGG.”

Es scheint also, als würden sich auch viele Gegner einer neuen Hymne kaum Zeit dafür nehmen, über das geistige Fundament der Schweiz nachzudenken, das im Schweizerpsalm so eindrücklich besungen wird. Die Diskussion bleibt zu oft auf rein emotional-ästhetischer Ebene stehen: „Danke dem, was uns ernährt, danke dem, was unversehrt durch die Zeit uns staunen lehrt.“ Allein schon, dass es eine solche Liedzeile ins Finale geschafft hat, offenbart eine tiefe Identitätskrise der Schweiz. Doch wer setzt sich schon inhaltlich damit auseinander? Vom personalen christlichen Gott sich abwendend, und doch des Mysteriums bedürftig, soll künftig ein ominöses Etwas besungen werden: Ist dieses Neutrum als Tribut an die Gender-Ideologie zu verstehen, die auch das Geschlecht des Vaters im Himmel neutralisieren will? Oder ist damit der besungene Traum gemeint, der „Traum: dass jeder gestalten, in Freiheit sich entfalten, Geborgenheit finden kann“? Ob mit dieser Leerformel, die letztlich alles und nichts bedeuten kann, mehr Identität geschaffen werden kann, ist allerdings mehr als fraglich. Vielmehr passt sie zu einer Schweiz, die ihr tragendes Wertefundament verloren und ihre christlichen Wurzeln abgeschnitten hat. Der hier anklingende Rückfall ins Heidnisch-Irrationale, das sein Schicksal einem gesichtslosen Etwas anvertraut, ist davon die logische Konsequenz.

Dominik Lusser