Vor vier Jahren strich der Regierungsrat des Kantons Zürich aus Spargründen das Schulfach „Biblische Geschichte“ ersatzlos. Eine von 50’000 Stimmberechtigten unterzeichnete Volksinitiative verlangte daraufhin die Wiedereinführung des Faches. Im letzten Jahr beschloss nun der Bildungsrat des Kantons Zürich, das Fach nicht abzuschaffen, sondern durch das obligatorische Fach „Religion und Kultur“ zu ersetzen. Darin soll über neben dem Christentum auch über die vier anderen grossen Weltreligionen Islam, Judentum, Buddhismus und Hinduismus aufgeklärt werden.
Das neu eingeführte Fach Religion und Kultur soll kein „Bekenntnisunterricht“ sein, sondern Informationen über Religionen vermitteln. Religiöse Handlungen oder Glaubensbekenntnisse werden nicht Teil des Unterrichts sein. Doch trägt der Gedanke, es allen recht machen zu wollen, nicht zur Verunsicherung der Schüler bei, weil Kinder und Teenies, die klare Antworten erwarten, desorientiert aus dem Religionsunterricht kommen? Schliesslich wird alles querbeet besprochen und keine Religion soll in den Vordergrund treten. Hanspeter Amstutz vom Zürcher Bildungsrat gegenüber Zukunft CH: „Das ist tatsächlich eine grosse Gefahr. Es gilt darum vor allem die vielen Lehrkräfte für eine Weiterbildung zu gewinnen, die bereits mit grossem Erfolg biblischen Unterricht und Kokoru (Konfessionell-kooperativer Religionsunterricht) unterrichtet haben. Auf der Oberstufe ist erfolgreiches Unterrichten nur möglich, wenn man die Jugendlichen dort abholt, wo sie ihre tiefsten Fragen haben. Gelingt dies nicht, so wird das Fach verwässert und mit der Zeit als Leerlauf taxiert werden.“

Ehemalige Lehrkräfte nicht zugelassen

Doch genau hier liegt das Problem. Die früher für den Unterricht „Biblische Geschichte“ zugelassenen Katecheten und Katechetinnen dürfen das neue Fach nicht unterrichten. Zwar können diese eine berufsbegleitende Weiterbildung während mehrerer Jahre absolvieren, um das Fach wieder unterrichten zu dürfen, doch gilt das nur als Übergangslösung für die Oberstufe und nicht für die Primarstufe. Somit herrscht ein enormer Mangel an ausgebildeten Lehrkräften.

Ein weiteres Problem liegt in der Wertevermittlung. Beim neuen Fach Religion und Kultur soll es vor allem um die Vermittlung von Tatsachen, nicht aber um das Weitergeben von Werten gehen. Doch „eine oberflächliche Reise durch die verschiedenen Religionen bringt wenig, wenn nicht bei den grossen Fragen Halt gemacht wird. Es gilt den Bildungsstoff auszuwählen und klare, persönliche geprägte Schwerpunkte zu setzen. Alles andere führt am Ziel vorbei, unseren Kindern Werte des friedlichen Zusammenlebens und der Achtung vor Gott und den Mitmenschen näherzubringen.“, sieht auch Hanspeter Amstutz. Auf der Primarstufe, in der das neue Fach ab August 2007 stufenweise eingeführt werden soll, sei es immerhin gelungen, dem Christentum im Lehrplan einen breiten Raum einzuräumen und die anderen Religionen nur zu streifen. In der Oberstufe hingegen „ist tatsächlich ein wenig Multi-Kulti vorgesehen, was aber in der Praxis kaum zu tieferen Kenntnissen über die einzelnen Religionen führen dürfte.“, erklärt der Oberstufenlehrer. Alle Weltreligionen sind hier gleichgestellt.

Die Schule ist ein Ort, an dem Kinder und Jugendliche nicht nur Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen lernen sollen, sondern auch grundlegende Werte. Das abgeschaffte Schulfach „Biblische Geschichte“ hat Werte vermittelt, die die europäische Identität und Kultur stark geprägt haben. Mit dem neuen Fach „Religion und Kultur“ hingegen werden diese Werte nun endgültig aus der Schule gedrängt. Da die Schule einen enorm wichtigen Faktor in der Wertevermittlung darstellt, kann das schädigende Ausmass dieser Entwicklung für unsere Gesellschaft nicht hoch genug eingeschätzt werden.

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Hanspeter Amstutz ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Der Fehraltorfer Oberstufenlehrer vertritt im Zürcher Bildungsrat die Interessen der Volksschullehrer. Der Bildungsrat fördert das Bildungswesen und koordiniert zwischen den Bildungsbereichen. Er ist auch für Lehrpläne und Lehrmittel zuständig.

Von Beatrice Gall