Der UNO-Migrationspakt, der im Dezember 2018 in Marrakesch offiziell verabschiedet werden soll, spaltet die Schweiz und Europa. Kritik am Abkommen äusserte kürzlich der deutsche Migrations- und Integrationsforscher Stefan Luft im „Weser Kurier“

Der Wissenschaftler vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Bremen sieht auch positive Punkte im Pakt. Er weist aber darauf hin, dass der Pakt zwar völkerrechtlich nicht verbindlich sei, wohl aber „ausdrücklich politisch verbindlich“. Das bedeute, die eindeutigen Bekenntnisse zur Förderung von Migration würden ihre Folgen haben. So z.B. werde der Pakt, „wenn es um die Verteilung von Flüchtlingen geht, (…) sicher den politischen Druck stark erhöhen.“

Zwar seien aus dem Pakt keine individuellen Rechte ableitbar, auf die sich Migranten berufen könnten. „Aber er enthält doch starke Selbstverpflichtungen.“ Im Kern gehe es um die Rahmenerzählung und die Bewertung von Migration. „Da folgt der Pakt der liberalen Interpretation, wonach Migration grundsätzlich ein Gewinn für alle sei: für die Herkunftsstaaten, die Zielstaaten und die Migranten. Wer diese Interpretation nicht teilt, sitzt demnach irreführenden Informationen auf.“

Als eine Folge sieht Luft besonders auch Gefahren für die Meinungsfreiheit: „Der Staat will die Bürger verpflichten, ein politisches Phänomen wie die Migration in einer bestimmten Art und Weise zu bewerten. Das ist mit der Meinungsfreiheit schwer vereinbar und wird scheitern, weil die Zweifel an dieser Logik immer grösser werden.“ Denn die Konflikte, die Migration in ganz Europa und weltweit auslöse, seien nicht zu übersehen.

Der Migrationsforscher verweist auf mehrere Stellen im Pakt, wo es heisst, dass Medien gefördert werden sollen, um angemessene Informationen zur Migration zu verbreiten. „Gegen Medien, die das nicht tun, verpflichten sich die Staaten, Sanktionen zu verhängen.“ Deswegen habe er den Eindruck, hier würde auch das Tor zur Lenkung der öffentlichen Meinung geöffnet.

Der Ansicht der meisten Parteien im Bundestag, die im Pakt eine Entlastung für Deutschland sehen, entgegnet Luft: „Dem ist entgegenzuhalten, dass der Pakt sich an mehreren Stellen ausdrücklich zur Förderung von Migration bekennt.“ So heisse es: „Wir verpflichten uns, eine sichere, geordnete und reguläre Migration zum Wohle aller zu erleichtern und zu gewährleisten.“

Der Migrationsexperte teilt auch die linke Kritik am Pakt, dass die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen und Interessen an keiner Stelle erwähnt werden: „Die Bundesbank hat vor Kurzem festgestellt, dass bereits die starke EU-Binnenmigration nach Deutschland sich eindeutig lohndämpfend ausgewirkt hat. Die hohe Nachfrage nach Arbeitskräften hat also nicht zu einem stärkeren Lohnanstieg geführt.“ Arbeitgeber hätten grundsätzlich ein Interesse an einem möglichst unbegrenzten Arbeitskräfte-Reservoir. Das erspare ihnen, bessere Arbeitsbedingungen zu bieten oder höhere Löhne und Gehälter zu zahlen. Deshalb sollte sich, so Luft, die Anwerbung von Arbeitskräften aus Drittstaaten auf Hochqualifizierte beschränken. Bei den Geringqualifizierten hätte Deutschland nämlich in den meisten Regionen „ein sehr starkes Überangebot“ und zudem gebe „es in vielen EU-Staaten eine hohe Jugendarbeitslosigkeit.“ Wieso nun auch noch pauschal die Arbeitsmigration aus Drittstaaten gefördert werden sollte, sei nicht nachvollziehbar.