Eine wirksame Begrenzung der Einwanderung aus Afrika und Westasien stellt für Europa eine politische und gesellschaftliche Notwendigkeit dar. Für Demokratie und Rechtsstaat kann sie gar zu einer Überlebensfrage werden. Die von Zukunft CH kürzlich durchgeführte Tagung „Heilmittel Migration“ war ein gelungener Auftakt zu einer öffentlichen Debatte, die angesichts zahlreicher Tabus noch in den Kinderschuhen steckt.

Von Dominik Lusser

Die Europäer sind vom Aussterben bedroht. Die Bevölkerungen Afrikas und Westasiens hingegen wachsen so rasant, dass die Wohlstandsentwicklung kaum Schritt halten kann. Die verlockende Idee, diese Probleme durch einen ausgleichenden Bevölkerungstransfair zu lösen, greift aber zu kurz, wie die mit 250 Teilnehmern ausgebuchte Tagung von Zukunft CH am 19. Oktober 2019 in Olten zeigen konnte.

Ralph Studer, Vizepräsident der Stiftung, präsentierte in seinem Referat Zahlen zur Demografiekrise in der Schweiz. Diese sei, wenn man die Statistiken nüchtern betrachte, Realität, werde aber kaum öffentlich diskutiert, stellte der Jurist und Oberstufenlehrer fest. „Die Immigration kann aber nicht die Lösung sein“. Geburtenrückgang und Überalterung durch Immigration von Menschen aus fremden Kulturen zu kompensieren, führe zu einer Problemverlagerung. Dabei geht es laut Studer nicht nur um den Sozialstaat, der durch asylsuchende Sozialhilfebezüger bzw. massiv steigenden Aufwand im Bereich der Ergänzungsleistungen immer stärker belastet wird. Es gehe auch um sozialen Zusammenhalt, kulturelle Identität und letztlich um den National- und Rechtsstaat, der wegen konkurrierender Wertesysteme und Parallelgesellschaften seine Durchsetzungsmacht einbüsse. Die Migration junger Afrikaner und Asiaten nach Europa schafft aber nicht nur in Europa, sondern auch in den Herkunftsländern neue Probleme. Als Beispiel nannte Studer den Abfluss von Know-how und Bildung aus armen Ländern nach Europa, ein Phänomen, das unter dem Namen „Brain-Drain“ bekannt ist und eine neue Form des Kolonialismus darstellt.

Keine Lösung, nur neue Probleme

Dr. Thilo Sarrazin betrachtete in seinem Referat das Szenario aus dem entgegengesetzten Blickwinkel. Die Migration nach Europa kann die Probleme der afrikanischen westasiatischen Länder nicht lösen. Deren Bevölkerung werde sich bis zur Jahrhundertmitte nochmals verdoppeln, wodurch ein wachsender Migrationsdruck entstehe. An einem Beispiel verdeutlichte der Wirtschaftsexperte die Dimensionen: Derzeit würden in Europa jährlich 7,8 Millionen Kinder geboren. Gehe man z.B. von der Hypothese aus, dass eine jährliche Einwanderung von zehn Prozent dieser Zahl (also 780‘000 Menschen) für Europa ökonomisch und soziokulturell verträglich wäre (wobei Sarrazin betonte, sich nicht dafür auszusprechen, sondern nur ein Beispiel zu machen), so sei dies für Afrika mit seinen jährlich 50 Millionen Geburten statistisch kaum spürbar. „Migrationszahlen dagegen, die so hoch sind, dass sie in Afrika eine fühlbare demografische Entlastung bringen, würden Europa politisch und ökonomisch völlig überfordern und könnten zur Zerstörung unserer Gesellschaft führen.“

Sarrazin machte klar, dass eine wirksame quantitative Begrenzung der Einwanderung aus Afrika und dem westlichen Asien für Deutschland und Europa eine vitale politische und gesellschaftliche Notwendigkeit darstellt. Für die Legitimation des demokratischen Systems könne sie zu einer Überlebensfrage werden, bestätigte er seinen Vorredner.

Die wirksame Begrenzung der Einwanderung bleibe jedoch, wie Sarrazin betonte, „immer nur die zweitbeste Lösung“. Am besten wäre es, wenn eine nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Afrika und im westlichen Asien die Anreize zur Auswanderung zügig absenken könnte. „Dies wird jedoch erst dann gelingen, wenn bei Wohlstand und Stabilität gewisse Schwellenwerte überschritten werden.“ Wer in absoluter Armut lebe, habe nämlich zumeist noch gar nicht die Möglichkeit, sich zur Auswanderung zu entscheiden. „In der nächsten Stufe aber, wenn die absolute Armut beseitigt ist, wirklicher Wohlstand aber noch weit entfernt ist, steigen gleichzeitig der Anreiz und die Möglichkeiten, es mit der Auswanderung nach Europa zu versuchen.“

Wohlstand fördern in Afrika, Konflikte schlichten in der Schweiz

Das Problem, mit dem sich afrikanische und westasiatische Länder in den nächsten Jahrzehnten verstärkt konfrontiert sehen werden, beschrieb Sarrazin mit dem Bild der Katze, die sich selbst in den Schwanz beisse: Das durchaus vorhandene Wirtschaftswachstum in Afrika und im westlichen Asien wird nämlich in seiner Wirkung auf das BIP pro Kopf und damit auf den Lebensstandard weitgehend durch das Bevölkerungswachstum aufgezehrt. Die Frage, wie man insbesondere in Subsahara-Afrika mehr Wohlstand schaffen und so auf lange Sicht Auswanderungsanreize abbauen könne, bewege ihn sehr, betonte Sarrazin zum Schluss seines Referats, und stellte in Aussicht, dieser Frage bei anderer Gelegenheit nachzugehen.

Nebst den beiden zahlenbefrachteten Vorträgen zum Thema Demografie zeigte die Sozialpädagogin und Konfliktmanagerin Sefika Garibovic auf, welche Probleme die Migration aus islamisch geprägten Kulturen konkret mit sich bringt. Diese hätten im Zuge der Balkankriege und der damals einsetzenden Radikalisierung der dort lebenden Muslime in der Folge auch im Immigrationsland Schweiz schlagartig zugenommen. Durch verschiedene Migrationswellen sei dies bis heute so. „Besonders männliche Jugendliche werden radikalisiert. Wenn es so weiter geht, haben wir in fünf Jahren ein riesiges Problem“, so die Autorin des Erziehungsbuches „Konsequent Grenzen setzen“ (Orell Füssli, 2016), die sich für schwer erziehbare Kinder und Jugendliche einsetzt.

Beim abschliessenden Podium, das von Beatrice Gall, Geschäftsführerin von Zukunft CH, moderiert wurde, waren nebst den drei Referenten auch die Politikwissenschaftlerin Camille Lothe sowie der Künstler und Islamkritiker Andreas Thiel zu Gast. Lothe zeigte auf, wie sich in den Klassenzimmern die kulturelle Zusammensetzung inzwischen geändert hat und sich in städtischen Gebieten unter Schülern ethnisch-religiöse Parallelgrüppchen bilden, welche die Integration massiv erschweren oder gar verunmöglichen. Das problematische Frauenbild von Migranten aus islamischen Ländern führe zu einer Zunahme von Gewalt. Doch werde dieses leidvolle Thema ausgerechnet von feministischer Seite tabuisiert.

Tabus gebrochen, Diskussion eröffnet

Satiriker Thiel berichtete von seinen Erfahrungen mit Zensur in der Kunstszene und plädierte unerschrocken für die Freiheit, die jedoch klar an Gesetze und den Rechtsstaat gebunden sein müsse. Der u.a. mit dem „Salzburger Stier“ ausgezeichnete Künstler sah sich während seiner Bühnenkarriere, von der er sich mittlerweile fast ganz zurückgezogen hat, mit „zwei harten Fronten“ konfrontiert: Von Muslimen bekam er Morddrohungen, Linke diffamierten ihn. „Die einen trachten einem nach dem Leben, die anderen nach der Reputation.“ Schockierender seien zwar die Morddrohungen gewesen. „Aber im Nachhinein am brutalsten sind die Diffamierungen, denn diese nimmt man weniger ernst.“ Thiel zog auch eine Parallele zwischen diesen beiden Fronten: „Der Koran unterscheidet zwischen Gläubigen und Ungläubigen. Die einen sind gut, die anderen sind schlecht.“ Auch wenn sich Linke dessen nicht bewusst seien, Karl Marx mache das Gleiche: „Der freie Mensch, der eine andere Meinung hat, kommt in diesem Weltbild nicht vor. Und das kriegte ich zu spüren“, so Thiel. Er habe kein Problem, wenn jemand linke Ideen habe. Aber er merke, dass dies bei seinem linken Gegenüber nicht der Fall sei. Und so werde man, obwohl man liberal eingestellt sei, als Rassist oder Rechtsextremer beschimpft und intolerant behandelt.

Selbstverständlich konnte die facettenreiche Tagung die breite und hochkomplexe Thematik von Demografie und Migration nicht erschöpfend beleuchten: „Aber die Diskussion, die dazu in der Schweiz bisher kaum stattgefunden hat, ist nun eröffnet“, stellte Moderatorin Gall abschliessend fest.