Leute, die sich auf Religionsdiffamierung berufen, sind die grösste Gefahr für die Redefreiheit, sagt der Menschenrechtsanwalt Stéphane Hessel in einem Interview mit swissinfo.
Der 92jährige französisch-deutsche Diplomat ist der letzte Überlebende, der an der Entstehung der Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte mitgewirkt hat. Kürzlich war er in Genf beim siebten Internationalem Film-Festival und Forum über die Menschenrechte, welches vom 6. bis 15. März stattfand. Dort diskutierte der Anwalt über seinen Menschenrechtsfilm „Magna Carta“ und das Problem der Redefreiheit.

Hessel betonte im Interview, dass es auch 60 Jahre nach Herausgabe der Charta der Allgemeinen Menschenrechte immer noch in vielen Ländern Verletzungen der Menschenrechte und Freiheiten gäbe. Die Meinungsfreiheit sei dabei vor allem heute von zwei Seiten bedroht: zum einen von der ökonomischen Seite, da die Medien – auch in der Schweiz – immer mehr monopolisiert würden und somit es immer schwieriger würde an verschiedenen Informationsquellen heranzukommen. Zum anderen sei die Meinungsfreiheit aber immer mehr eingeschränkt durch Religionen: „Heute kommt das schlimmste Risiko gegen die Redefreiheit von grossen Religionen, die ihre Prinzipien gegen die Angriffe anderer schützen wollen.“

Der Menschenrechtsanwalt fordert auf: „Wir sollten die Redefreiheit nicht einschränken. Für jede Art von Redefreiheit sollte es möglich sein, die gegenteilige Meinung zu vertreten. Ich glaube, dass es ein Fehler ist, mit Gesetzen die persönliche Meinung zu verhindern, ob es nun Cartoons sind, publizierte Texte oder TV- oder Radiosendungen. Denn das Unterdrücken einer Meinung gibt dieser einen Status, den sie nicht haben sollte.“

Einige Nationen, die an der im April in Genf stattfindenden UN-Rassismuskonferenz Durban II teilnehmen, verlangen, dass der Kampf gegen Rassismus, der dort thematisiert wird, auch den Kampf gegen Religionsdiffamierung einschliesst, gerade in Bezug auf den Islam. Hessel sieht darin eine ernste Gefahr, die es zu vermeiden gilt. Und er hofft, dass die Konferenz nicht so verläuft wie die Konferenz gegen Rassismus Durban I vor acht Jahren. „Das UNO-Meeting hat einen Zweck: dass die wichtigsten Kulturen und Zivilisationen sich treffen, diskutieren und sich so untereinander besser verstehen. Durban II ist eine Gelegenheit für alle Nationen, ihre Fähigkeit zu zeigen, wie man zusammenarbeitet.“

Die freie Meinungsäusserung entspricht Artikel 19 der Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte von 1948. Menschenrechtsvertreter betonen jedoch, dass die Meinungsfreiheit gefährdet sei durch jene, welche die Kritik an Religionen verhindern wollen und Religionskritik als diffamierend beurteilen. Die USA, Italien und andere europäische Staaten drohen inzwischen damit, die Durban II-Konferenz zu boykottieren, welche vom 20. bis 24. April 2009 in Genf stattfindet. Israel und Kanada haben bereits den Boykott der Konferenz angekündigt, andere Staaten wollen fernbleiben, wenn islamische Länder weiterhin auf ihrer antiisraelischen und Religionskritik verbietenden Haltung bestehen und die Konferenz thematisch in diese Richtung diktieren.