„Menschenhandel ist grausam – schweigen auch!“, proklamierten am 17. Oktober 2020 – trotz der angespannten COVID-19 Situation – gegen 300 Personen an der Kundgebung gegen Menschenhandel auf dem Waisenhausplatz in Bern. Sie schweigen nicht länger, sondern geben den weltweit 40 Millionen Opfern von Menschenhandel eine Stimme. Die Öffentlichkeit soll sensibilisiert bleiben und die Täter nicht weiter ungehindert im Schatten des Schweigens ihre Verbrechen begehen können.

Gallus Tannheimer, Leiter der Christlichen Ostmission (COM), die zu dieser Kundgebung aufgerufen hatte, sagte am Samstag: „Durch die langjährige Projektarbeit in Osteuropa und Asien sind wir als COM schon vor 20 Jahren auf diese Problematik gestossen. Das Ausmass, die Brutalität des Menschenhandels schockiert. Aus diesem Grund wollen wir als Christliche Ostmission einen Beitrag zur Sensibilisierung in der Schweiz leisten und den vielen Opfer weltweit eine kraftvolle Stimme geben.”

Mit zu dieser kraftvollen Stimme beigetragen hat am Samstag, nebst verschiedenen Rednerinnen und Redner, auch Manfred Paulus, ehemaliger Kriminalhauptkommissar und Autor mehrerer Bücher zum Thema Menschenhandel (sein jüngstes Werk: Menschenhandel und Sexsklaverei). Seine 30 Jahre nationale und internationale Ermittlungserfahrung im Bereich Menschenhandel und Rotlichtkriminalität machen ihn zu einem begehrten Fachreferenten. Er kennt die brutalen Schicksalsgeschichten unzähliger Opfer. Sein Befund macht betroffen, umso mehr, als er die Schlupflöcher der Gesetzgebung kennt, die es Menschenhändlern ermöglichen, trotz erdrückender Beweislage straffrei zu bleiben.

Schlupflöcher der Gesetzgebung und mangelnde Ressourcen

Paulus zeigte eindrücklich auf, wie die Polizei wegen unklarer Gesetzgebung und mangelnder Ressourcen in ihren Ermittlungen oft anstehe und letztlich gegen die hochprofessionell organisierten und mit modernster Technik ausgestatteten, international tätigen Mafia-Organisationen oft keine Chance habe. Darum brauche es dringend das Aufstehen der Zivilgesellschaft, die von unten mehr Druck auf die Politik mache.

Der Kampf gegen Menschenhandel braucht grössere Priorität.

Marianne Streiff, Nationalrätin und Präsidentin der EVP, doppelte in ihrem Kurzreferat nach und betonte, dass das Thema Menschenhandel in der Politik dringend grössere Priorität brauche. Die EVP sei schon lange an diesem Thema dran. 2019 habe die EVP an einem Sonderparteitag zum Thema „Menschenhandel und Ausbeutung“ eine Resolution mit dem Titel „Menschen sind keine Ware!“ verabschiedet. Darin werden klar und deutlich vier Felder umrissen, in denen die EVP dringenden Handlungsbedarf sehe. 1. Bund und Kantone müssen unbedingt mehr Ressourcen für den Kampf gegen Menschenhandel bereitstellen. 2. Es brauche einen eigenen Straftatbestand für Arbeitsausbeutung im Strafgesetzbuch. 3. Es brauche einen Bewusstseinswandel gegenüber Prostitution und 4. Es brauche umfassende Prävention und Aufklärung.

Wir dürfen nicht schweigen – die Sensibilisierung muss weiter gehen!

An dieser Kundgebung zeigte sich deutlich, dass Ignoranz, fehlendes Wissen, Schweigen und Wegsehen diese Verbrechen wesentlich fördern. Beatrice Käufeler, Projektleiterin gegen Menschenhandel bei der COM, ist schockiert über das erschreckende Ausmass der Ausbeutung weltweit. Sie erwähnte, dass die Corona-Pandemie dazu beitragen wird, dass immer mehr Menschen in Gefahr stehen, ausgebeutet zu werden. Darum will die Christliche Ostmission ihr Engagement gegen Menschenhandel weiter ausbauen. Ein kraftvolles Aufstehen der Zivilgesellschaft gegen Menschenhandel wird letztlich bewirken, dass die Öffentlichkeit sensibilisiert bleibt und die Politik zum Handeln bewegt wird. Ein wachsendes Team von Ehrenamtlichen hilft mit, dass dies geschehen kann. Bereits jetzt laufen die Vorbereitungen für eine weitere Grosskundgebung am Samstag 29. Mai 2021 auf dem Bundesplatz in Bern.

Medienmitteilung Christliche OStmission, 19. Oktober 2020