In seinem neuen Buch „Das therapeutische Kalifat“ (Fontis Verlag, September 2018) kritisiert der Schriftsteller Giuseppe Gracia scharfsinnig die zunehmende „Pädagogisierung und Therapeutisierung der Gesellschaft“ durch eine Elite, „die ihr politisches Mandat mit moralischer Autorität gegenüber dem Wähler verwechselt“. Gracia diagnostiziert „eine grosse Gefahr für unsere Demokratie“: Hinter dem Vorhaben, die Menschen von falschen Ansichten zu heilen, stecke letztlich ein Denken, das nicht mit der für jede Demokratie elementaren Mündigkeit des Menschen rechne. Mit Unterstützung der Mainstream-Medien ziele diese politisch-kulturelle Elite darauf, die christlichen Wurzeln des Abendlandes abzuschneiden und uns im Zuge der Globalisierung „vom Hemmschuh veralteter religiöser, nationaler oder geschlechtlicher Identitäten“ zu befreien. Verordnete Sprachregelungen würden dazu führen, „dass niemand mehr etwas Authentisches sagt, weil sich ja immer jemand verletzt fühlen könnte.“ Das Gegenüber erscheine uns in diesem sozialen Klima „nicht mehr wie eine mündige, belastbare Person, sondern wie eine emotionale Tretmine“.

Statt eines Wettbewerbs der Ideen dominiert laut Gracia eine „geistige Monokultur“, ein „Beauty-Contest der Moral-Apostel“: „Sind wir weltoffen genug? Sind wir fortschrittlich genug? Oder sind wir Reaktionäre, Nationalisten, Faschisten?“ Westeuropa entwickle sich, so Gracias provokative These, mehr und mehr zu einem grossen Therapiehaus – „ein Haus für friedliche Volksentwicklung. So ähnlich wie das ‚Haus des Friedens‘ im Islam (‚Dar al-Salam‘), nur eben typisch europäisch, das heisst: atheistisch und wirtschaftsgetrieben.“ Auf Anfrage von Zukunft CH sagte der Autor: „Dass bereits die zweite Auflage unterwegs ist, zeigt, dass das Thema die Menschen bewegt.“ Neben dem Vorwurf, er sei ein Populist oder Fundi, hätten ihn aber weit mehr dankbare, bestätigende Stimmen erreicht, so Gracia. Der St. Galler „Querdenker“ erhofft sich, dass sich viele Menschen wieder trauen, ihre volle Meinungsfreiheit wahrzunehmen, um eine kritische Gegenöffentlichkeit zum therapeutischen Kalifat zu bilden.