In seiner Botschaft zum Welttag der Migranten und Flüchtlinge, der am 14. Januar 2018 in der katholischen Kirche begangen wird, macht sich Papst Franziskus erneut zum Sprachrohr einer fatalistischen Willkommenskultur. Franziskus, der an keiner Stelle zwischen Wirtschaftsmigranten und Kriegsflüchtlingen unterscheidet, fordert „breitere Möglichkeiten für eine sichere und legale Einreise in die Zielländer“. Weiter drängt er auf den Familiennachzug „einschliesslich der Grosseltern, Geschwister und Enkel“, der „niemals wirtschaftlichen Erfordernissen unterworfen werden“ dürfe. Auch die Gewährung der Staatsbürgerschaft an Migrantenkinder im „Augenblick ihrer Geburt“ sowie der sofortige Zugang zu den Rentensystemen für Migranten stehen im Forderungskatalog des Papstes. Im Zusammenhang mit Grenzkontrollen und illegal Einreisenden verlangt Franziskus, „die Sicherheit der Personen stets der Sicherheit des Landes voranzustellen“. Das Schreiben, für das der erste argentinische Papst innerhalb und ausserhalb der katholischen Kirche massive Kritik erntete bis hin zum Vorwurf, die Selbstaufgabe Europas zu verlangen, war bereits im August 2017 publiziert worden.

Franziskus steht mit seiner Botschaft in einem deutlichen Kontrast zu ausgewogenen und weitsichtigen Äusserungen, die Papst Johannes-Paul II. bereits 2003 gemacht hatte. Im apostolischen Schreiben „Ecclesia in Europa“ (Die Kirche in Europa) schrieb der polnische Papst: „Angesichts des Migrationsphänomens steht für Europa die Fähigkeit auf dem Spiel, Formen einer intelligenten Aufnahme und Gastfreundschaft Raum zu geben.“ Zwar solle sich jeder um das Wachstum einer reifen Kultur der Aufnahme bemühen, die der gleichen Würde aller Menschen und der pflichtgemässen Solidarität gegenüber den Schwächsten Rechnung trage und deshalb erfordere, dass jedem Einwanderer die Grundrechte zuerkannt würden. Allerdings, so fährt Johannes-Paul II. fort, liege es in der Verantwortung der öffentlichen Behörden, „die Kontrolle der Zuwanderungsströme unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls durchzuführen.“ Die Aufnahme müsse „immer unter Einhaltung der Gesetze erfolgen und daher, wenn nötig, mit der Ausschaltung von Missbräuchen einhergehen.“

Eine Rückbesinnung auf diese weisen Worte ist allerdings gegenwärtig im Vatikan nicht in Sicht. Erst vor wenigen Tagen sorgten Äusserungen von Pater Michael Czerny für Aufregung, der stellvertretend für Papst Franziskus die Abteilung Flucht und Migration am päpstlichen Dikasterium für die ganzheitliche menschliche Entwicklung leitet.

Im Interview mit „Vatican News“ distanzierte sich der kanadische Jesuit von vermeintlichen Polemiken und Streitigkeiten. Die Sicht, wonach Migranten Staaten belasten würden oder mögliche Terroristen wären, entspräche nicht der Wahrheit. Czerny: „Ein solches Bild wird benutzt und weitergegeben für kurzfristige politische Zwecke. Viele Leute, die ruhig nachdenken, werden realisieren, dass ihre Vorfahren genau das waren: Menschen, die vor nicht zu bewältigenden Situationen flüchteten und dann an anderen Orten neue Chancen fanden.“ Der Vatikan ziele darauf ab, „ruhig und gelassen die positiven Erfahrungen vorzutragen“, von denen es „Abertausende“ gebe.

Bleibt nur zu hoffen, dass Papst Franziskus und sein Migrations-Minister – der dieses Jahr an den beiden UN-Konferenzen zum Thema „gross vertreten sein“ will – bald aus ihrem Schlaf der Gelassenheit und der trügerischen Ruhe erwachen werden. Etwas mehr Kontinuität mit der Weisheit seiner Vorgänger würden der Amstführung des argentinischen Papstes auch bei den Themen Migration und Islam nicht schaden.