Ein von der Öffentlichkeit wenig beachteter Fall zieht sich in die Länge. Dabei steht das Thema Meinungsfreiheit im Fokus.

Von Ralph Studer

SRF News veröffentlichte am 10. August 2021 in ihrem übrigen publizistischen Angebot auf Instagram den Beitrag „Deutschland schafft kostenlose Corona-Tests ab“. Eine Person brachte hierzu einen Kommentar an, dass sie bis anhin gut ohne Test und Impfung ausgekommen sei. Die SRF-News-Redaktion löschte den entsprechenden Kommentar wenige Stunden danach, da er – nach Meinung des SRF – mit ihrer „Netiquette“ (d.h. Regeln für das soziale Kommunikationsverhalten) nicht vereinbar sei. Die Autorin des Kommentars gelangte dagegen zunächst an die Ombudsstelle SRG Deutschschweiz, welche die Beanstandung nicht weiter behandelte. Auf die anschliessende Beschwerde der Autorin trat die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) nicht ein.

Das Bundesgericht in Lausanne hiess in seinem Ende November 2022 publizierten Urteil die Beschwerde der Autorin gut. Im Wesentlichen wurde der Entscheid damit begründet, dass die Kommentarfunktion zu redaktionellen Beiträgen in Online-Foren oder Social-Media-Kanälen der SRG zu ihrem „übrigen publizistischen Angebot“ gehört. Die Kommentarfunktion diene dem Meinungsaustausch und der Meinungsbildung rund um den redaktionellen Beitrag. Biete die SRG ausserhalb ihres Programms solche Foren für Meinungsäusserungen an, müsse sie die Grundrechte – wie die Meinungsfreiheit – beachten. Mit der Löschung von Kommentaren oder dem individuellen, vorübergehenden oder dauernden Ausschluss von Personen von der Kommentarfunktion greife die SRG in die Meinungsäusserungsfreiheit der Betroffenen ein, so das Bundesgericht.

Damit die Autorin den von der Verfassung vorgesehenen Rechtsschutz erhält, hat das Bundesgericht den Fall zur weiteren Prüfung bzw. Vermittlung an die Ombudsstelle SRG Deutschschweiz zurückgewiesen. Scheitert dieser aktuelle Vermittlungsversuch, wird die UBI auf Beschwerde hin hierüber entscheiden, ob die SRG unzulässigerweise in die Meinungsäusserungsfreiheit der Autorin eingriffen hat.

Dieser Fall ist von einiger Tragweite. Denn der Entscheid wird aufzeigen, bis wie weit die SRG die Meinungsfreiheit – hier am Beispiel der sozialen Medien – respektieren und einhalten muss.