In der Schweiz hat diesen Sommer der Fall einer Elfjährigen aus dem Jemen Schlagzeilen gemacht, die von ihrer Mutter nach Saudiarabien gegen Geld zwangsverheiratet werden sollte. Die Betroffene, Nada al-Ahdal, floh aber rechtzeitig. Per Video sandte sie einen erschütternden Hilferuf: „Ich bin ein menschliches Wesen. Ich habe ein Recht auf meine Kindheit, meine Zukunft und meine Träume. Ich will lieber sterben, als in meinem Alter zu heiraten!“ Nada weiss nur zu gut, von was sie spricht: Eine ihrer Tanten wurde mit 13 Jahren zwangsverheiratet – sie verbrannte sich darauf selbst.
Nicht alle jungen Muslimas haben Nadas Mut, sich diesen alten arabischen Stammesgesetzen zu widersetzen, die dann der Islam sanktionierte und in unsere Tage hineinträgt. Auch in unserer Mitte bleiben die meisten dieser tragischen Fälle unaufgedeckt. Die Mädchen schweigen aus Angst oder werden mundtot gemacht, indem sie in die Herkunftsländer abgeschleppt werden. Man tun sich daher leicht zu behaupten, dass Zwangsehen überhaupt nichts mit der Religion Mohammeds zu tun hätten, allein durch Gesellschaftsstrukturen bedingt seien, wie sie sich auch noch in hinteren Alpentälern der Schweiz fänden. Bei solchem Argumentieren wird der Unterschied zwischen arrangierten Ehen mit Einwilligung der Braut – wie man sie in ländlichen Verhältnissen, aber auch im traditionellen Judentum antrifft – und regelrecht der Frau aufgezwungenen Verheiratungen verwischt.

Gewiss gab es Zwangsehen schon bei den alten Römern und im christlichen Mittelalter. Sie sind heute noch in Indien weit verbreitet. Aber nur das religiöse Recht des Islams, die Scharia, billigt ausdrücklich diesen Missbrauch, erhebt ihn sogar zur Vorschrift. Die heutige Aufwertung dieser Scharia als umfassende, verpflichtende Lebensregel macht die Lage noch schlimmer als es in moderneren islamischen Gesellschaften schon der Fall war, im Tunesien von Präsident Bourguiba z.B. oder unter Abdel Nasser in Ägypten. Dabei handelt es sich bei diesen Zwangs- und in vielen Fällen sogar Kinderehen um das unmenschlich Schlimmste, das einwandernde Muslime nach Europa tragen. Gegen dieses lebenslange Maryrium einer Zwangsehe erscheinen Kopftuch und Schleier, ja sogar die Ganzkörperverhüllung der Burka harmlos.

Es ist sein Frauenbild, das dem Islam die Akzeptanz, ja Propagierung von Zwangsverheiratungen so leicht macht. Zwar stimmt es theologisch nicht ganz, dass der Koran Frauen keine Seele zuerkennt. Koranrechtlich verhält es sich aber genau so. In extremen islamischen Rechtsschulen sind weibliche Wesen sogar unter den Haustieren als „Hausrat“ eingestuft. Mit diesem können die Männer natürlich nach Belieben umspringen. Nach allgemeinem islamischen Recht brauchen Frauen für alles einen männlichen Wali (Vormund, Beistand, Sachwalter). Das gilt auch und gerade für die Eheschliessung. Diese ist daher nicht nur in Ausnahmsfällen, sondern kann sogar meist als Zwangsehe aufgrund väterlicher, vormundschaftlicher Gewalt gesehen werden. Das römische Recht hätte das als „patria potestas“ bezeichnet. Ob die Frau dem zustimmt oder nicht, ist für das islamische Scharia-Recht völlig irrelevant.

Zwar fanden sich auch im frühhinduistischen „Gesetz Manus“ ähnliche Auffassungen und Verfügungen. Sie haben aber kaum Auswirkungen auf unsere Integrationsproblematik. In der europäischen Muslimdiaspora sieht es hingegen in Sachen Zwangsehen recht virulent aus. Nach einer Studie des Berliner Familienministeriums leben mindestens zehn Prozent der deutschen Türkinnen in von ihnen unfreiwillig eingegangenen Ehen. Nach Angaben des „Arbeitskreises Zwangsheirat“ kommt es in europäischen Grosstädten jährlich zu hunderten Gewaltehen. Besonders hoch ist der Anteil bei jenen Frauen, die zum Zweck der Verheiratung nach Europa gebracht oder umgekehrt aus der zweiten oder gar dritten Migrationsgeneration in die Heimat zurückverheiratet werden. „Terres des Femmes“ schätzt die Zahl dieser gegen ihren Willen in die Türkei, aber zunehmend auch in arabische Länder „ausverkauften“ muslimischen Deutschen, Österreicherinnen und Schweizerinnen auf „an die Tausende“. Praktiken, denen wir nicht länger zusehen dürfen!

Von Heinz Gstrein