Im Januar 2011 begann in Ägypten die Revolution als Teil des „Arabischen Frühlings“, durch den verschiedene arabische Diktatoren gestürzt wurden. Die Massen versammelten sich auf dem Kairoer Tahrir-Platz („Freiheitsplatz“) und erreichten schliesslich, dass Präsident Mubarak gestürzt und unter Anklage gestellt wurde. Die Medien berichteten geradezu euphorisch, die Menschen würden Freiheit und Demokratie fordern. In der Meinung, in Nordafrika und dem Nahen Osten würden sich demokratische Staaten bilden, schlug ein hoher deutscher Politiker vor, einen Marschallplan für die arabische Welt zu beschliessen. Damit erinnerte er an die umfassende Hilfe, mit welcher die USA nach dem letzten Krieg v.a. an den Wiederaufbau der Bundesrepublik geleistet und so Freiheit und Demokratie gefördert hatten.
Dieser Vorschlag zeigte beispielhaft, wie wenig auch hochrangige Politiker die Herkunft und die Grundbedingungen der freiheitlichen Demokratie verstehen. Unsere rechtsstaatliche Demokratie ist in den USA entstanden. Die Menschen waren vor den autoritären Regierungen Europas geflohen und wollten persönliche Freiheit. Die Bürger sollten vor der Einmischung des Staates in ihre persönliche Selbstbestimmung geschützt werden. Sie wollten ganz ihrer Gewissensentscheidung folgen können. Dieser Freiheitsbegriff stammt aus der Bibel. Gott gab dem Menschen die Freiheit für persönliche Gewissensentscheide, die er ohne staatliche Bevormundung treffen kann. Aus diesem Verständnis von Freiheit folgt logisch auch die Toleranz. Denn wenn ich für mich die Freiheit eigener Entscheidung beanspruche, muss ich sie auch jedem anderen Bürger einräumen. Ich muss es ertragen, dass jemand anders denkt als ich. Darauf beruhen auch die anderen demokratischen Rechte wie Religionsfreiheit, Redefreiheit etc. Ohne diesen Willen zur Freiheit als Leitlinie staatlicher Gesetzgebung gibt es keine Demokratie.

Diese Auffassung steht aber in radikalem Gegensatz zur muslimischen Welt. Islam heisst Hingebung und Unterwerfung. Für einen gläubigen Muslim besteht der Sinn des Lebens im Verzicht auf Freiheit und eigenes Denken. Sein Streben richtet sich darauf, die Gebote der Scharia zu erfüllen und so zu denken, wie der Koran vorschreibt. Demokratische Freiheiten entstehen nicht von selbst, wenn irgendwo ein Diktator gestürzt oder getötet wird. In Deutschland entstand die Demokratie nach der Hitlerdiktatur mit grosser Kraft, weil die Menschen in ihrem Selbstverständnis von einer Jahrhunderte alten, christlichen Tradition geprägt waren. Wer hingegen in einer islamischen Kultur aufwächst, entwickelt nur schwer ein individuelles Denken mit persönlichen Gewissensentscheiden. Dieses Selbstverständnis des Menschen ist jedoch die Grundvoraussetzung für demokratisches Verhalten. Und – ich muss es wiederholen – es stammt aus der Bibel. Darum haben auch die Kriege im Irak und in Afghanistan nicht zu stabilen demokratischen Verhältnissen geführt – trotz der Tausenden von Toten und den Dollar-Milliarden. Besonnene Beobachter fürchteten schon 2011, dass in Ägypten genau das passieren würde, was jetzt geschehen ist. Es wäre gut, wenn politische Verantwortliche bei ihren Entscheiden, sei es für Entwicklungshilfe, Sanktionen oder militärisches Eingreifen prüfen würden, wo die christlichen Grundvoraussetzungen für eine demokratische Gesellschaft erfüllt sind und wo nicht.

Von Pfr. Hansjürg Stückelberger