Viele haben sich die Augen gerieben. Haben wir richtig gehört? Ja, die SP hat die „Überwindung des Kapitalismus“ wieder zum Parteiprogramm erhoben. Zwar wollte Parteipräsident Levrat das Thema am Fernsehen herunterspielen, es sei nicht so wichtig. Aber wir sollten uns nicht täuschen. Die Überwindung des Kapitalismus stammt direkt aus der Küche von Karl Marx. Um das Ziel zu erreichen, so seine Lehre vom Klassenkampf, muss die Klasse der Bürger vernichtet werden. Dazu schrieb die bolschewistische Zeitung „Rotes Schwert“ am 18. August 1919: „Wir haben eine neue Moral … Uns ist alles erlaubt, denn wir erheben das Schwert im Namen der Freiheit … wir wollen die Bourgeoisie als Klasse vernichten“. Bekanntlich hat die marxistische Utopie weder Freiheit noch Wohlstand gebracht, sondern Unterdrückung, millionenfachen Mord und Armut. Haben das die Genossen schon vergessen?
Erwin Bischof dokumentiert und weist in seinem Buch „Honeckers Handschlag“ unter sorgfältiger Recherche nach, wie schweizerische Intellektuelle, berühmte und weniger berühmte, sich von den roten Ideen täuschen liessen und Exponenten der SP wie Helmut Hubacher zu Gesprächen mit der DDR Führung bereit waren. Dabei waren die furchtbaren Verbrechen unter Lenin und Stalin längst bekannt. Aber schon damals hatte man aus der Geschichte nichts gelernt. Leider hat sich auch Karl Barth zu unverständlichen Fehleinschätzungen der kommunistischen Herrschaft im Osten verleiten lassen. Einerseits wird er wohl zu Recht als der grösste protestantische Theologe des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Aber sein Urteil von der moralischen Überlegenheit des Kommunismus über den Kapitalismus ist völlig unverständlich. Er hätte es besser wissen müssen. Die Bibel sagt: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ (Matth. 7, 16) Seine Einschätzungen waren den Dissidenten und zum Martyrium bereiten Christen in den Lagern Sibiriens keine Hilfe.

Die Geschichte der Schweiz und Europas ist vom christlichen Gottes- und Menschenbild geprägt. Nicht nur Krankenhäuser und das Rote Kreuz sind aus dem Christentum entstanden. Schon die Apostel haben Glaubensfreiheit gefordert: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apg. 5,29) Und wenn wir stolz sind auf unsere Rechtsstaatlichkeit und, dass bei uns Recht gesprochen wird „ohne Ansehen der Person“, dann darum, weil genau dieser Ausdruck in der Bibel steht. Von Gott heisst es, dass er richtet „ohne Ansehen der Person“ (2. Chronik 19,7). Den Einfluss von christlichem Gedankengut auf die Prosperität Europas hat kein Geringerer als Max Weber festgehalten. Unsere Identität stammt aus unserer Geschichte. Ohne Herkunft keine Zukunft. Es ist Zeit, dass wir uns darauf besinnen, welchen geistlichen und geistigen Kräften die Schweiz ihre Freiheit und ihren Wohlstand verdankt.

Von Pfr. Hansjürg Stückelberger