Der oberste Gerichtshof der Türkei hat am 26.Januar 2011 Ländereien des syrisch-orthodoxen Klosters „Mor Gabriel“ im Südosten des Landes dem türkischen Staat zugesprochen. Dieser symbolhafte Entscheid der Richter in Ankara in dem seit Jahren andauernden Rechtsstreit bedeutet einen weiteren folgenschweren Schritt bei der Verdrängung des Christentums aus der Türkei.
Der türkische Staat hatte mit einer Klage einen angeblichen Anspruch auf einige Felder in der Umgebung des Klosters durchsetzen wollen. Immer wieder wird behauptet, das Kloster sei auf dem Grund einer ehemaligen Moschee erbaut worden, obschon der Islam im vierten Jahrhundert noch gar nicht existierte. Der Klage wurde nun auf höchster Ebene entsprochen, nachdem sie im Juni 2009 von einem Gericht in der südosttürkischen Stadt Midyat zurückgewiesen wurde. Laut Experten ist jetzt zu befürchten, dass es sich bei dem nun gesprochenen Urteil um den Beginn einer Entwicklung handelt, die das Kloster in seiner Existenz bedroht. Dies insbesondere, da es den Christen in der Türkei nicht mehr erlaubt ist, Nachwuchs an Geistlichen auszubilden und Unterricht in der Sprache der Minderheiten zu erteilen.
Indessen haben sich der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) und die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) in einem Aufruf gegen die Enteignung des Klosters gewandt. Darin heisst es: „Mit Bestürzung beobachten der SEK und die SBK die gravierenden Übergriffe und Anfeindungen gegen Christen in verschiedenen Ländern. Dazu gehören auch die wiederholten Versuche türkischer Behörden, mittels zweifelhafter Verfahren gegen das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel vorzugehen. Der Vorwurf lautet, die Gemeinde habe sich Grund und Boden rechtswidrig angeeignet. Das Kloster wurde jedoch bereits im Jahr 397 gegründet und kann seinen Grundbesitz durch gültige Urkunden nachweisen.“ SEK und SBK sehen das Kloster von Kräften bedroht, denen Symbole christlichen Lebens ein Dorn im Auge sind, und fordern die türkische Regierung auf, allen christlichen Volksgruppen im Land Religionsfreiheit zu garantieren.
Das Kloster „Mor Gabriel“ war im Jahr 397 n. Chr. gegründet worden und gehört zu den ältesten christlichen Klosteranlagen der Welt. Nachdem das Kloster bereits im sechsten Jahrhundert bis zu 1‘000 Mönche beherbergte, leben heute nach dem Genozid an der christlichen Minderheit im Land 1915 und verschiedenen Schikanierungen nur noch der Abt, drei Mönche, rund 15 Nonnen und einige Schüler und Arbeiter in der Anlage.