Dr. Sami Aldeeb, Direktor vom „Zentrum für arabisches und islamisches Recht“ sagt Ja zur Anti-Minarett-Initiative. „Ich persönlich werde der Anti-Minarett-Initiative im Interesse des Friedens zwischen den Religionen in der Schweiz und im Interesse der muslimischen Bürger zustimmen und zwar aus folgenden Gründen:“
1) Das Bauverbot für Minarette verletzt den Grundsatz der Religionsfreiheit nicht

Diejenigen, die gegen die Initiative sind, sehen Artikel 15 Absatz 1 der Bundesverfassung über die Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt.

In Wirklichkeit jedoch verletzt das Bauverbot für Minarette diese Freiheit nicht. Minarette sind in keiner Weise für die Religionsausübung der Muslime notwendig. Ein Moslem kann an jedem Ort beten, vorausgesetzt, dass dieser Ort sauber ist. Die Initiative zielt nicht darauf ab, das Gebet oder den Bau von Moscheen zu verbieten. Ich persönlich habe Muslime in meinem eigenen Haus beten lassen.

2) Minarette bringen den konfessionellen Frieden in Gefahr
Minarette haben seit jeher als Ausruftürme zum Gebet gedient. Es handelt sich dabei nicht lediglich um ein dekoratives Bauelement einer Moschee. Es reicht nach Kairo zu gehen um zu verstehen, dass Minarette ein öffentliches Ärgernis darstellen, welches auch die Anhänger muslimischen Glaubens stört. Von manchen würde der Wunsch gehegt, die Stromverbindung möge unterbrochen werden, damit man nicht mehr dieser Lärmbelastung ausgesetzt sei.

Sicherlich kann der Bundesrat eine Auflage formulieren, welche die Nutzung von Minaretten zum Ausrufen der Gebete verbietet. Aber sobald die Minarette einmal stehen, würden es die Anhänger des muslimischen Glaubens wohl nicht dabei belassen und die Forderung stellen, wie die Christen mit ihren Kirchenglocken reziprok ebenfalls ihre Gläubigen von den Minaretten aus zum Beten aufzufordern. Dies könnte sehr bald den konfessionellen Frieden in ernsthafte Gefahr bringen. Dabei ist der Frieden zwischen den Religionen genauso ein Verfassungsprinzip wie die Religionsfreiheit. Im Artikel 72 Absatz 2 der Bundesverfassung ist vorgesehen: „Bund und Kantone können im Rahmen ihrer Zuständigkeit Massnahmen treffen zur Wahrung des öffentlichen Friedens zwischen den Angehörigen der verschiedenen Religionsgemeinschaften.“

Wenn die Muslime den ?öffentlichen Ausruf zum Gebet als Teil ihrer religiösen Freiheit empfinden, dann ist es heutzutage ebenfalls möglich, die Mobiltelefone, Fernseher, Radios und Computer so einzurichten, dass die Aufrufe über solche Kanäle empfangen werden können. Mobiltelefone werden auch vermehrt als Wecker genutzt.

Manche werden erwidern, dass, wenn man der muslimischen Bevölkerung die Minarette verbietet, man dasselbe auch für die Glockentürme der Kirche fordern müsste. Niemand hindert diejenigen, welche sich durch die Kirchenglocken gestört fühlen, ebenfalls eine Initiative ins Leben zu rufen.

3) Die Debatte für alle Fragen eröffnen

Nach offiziellen Angaben des Bundes hat sich die Zahl der muslimischen Bevölkerung in der Schweiz von 16’353 in Jahr 1970 auf 310’807 im Jahr 2000 erhöht. Neben der grossen zahlenmässigen Präsenz werden auch immer mehr Forderungen der muslimischen Glaubensgemeinschaft an die Öffentlichkeit getragen, welche zuweilen den Charakter von Matriochkas (Russische Puppenfiguren) haben. Als Beispiele sind das Tragen des Kopftuches und der Burka, die Freistellung vom Schwimmunterricht für Mädchen, das rituelle Schlachten der Tiere, nach den Konfessionen getrennte Friedhöfe, gleichgeschlechtliche Pflegeleistungen bei einem Krankenhausaufenthalt, der Bildung von muslimischen Gerichten, etc. zu nennen. Der Bau von Minaretten fügt sich in diese Forderungen ein.

Die Initiative soll auch eine Gelegenheit darstellen, die Debatte zur Gesamtheit der Forderungen der muslimischen Bürger zu eröffnen, in welchem Masse diese erfüllt oder abgelehnt werden sollen.

Von Bedeutung ist auch das Verständlichmachen, dass die schweizerische Verfassung der muslimischen Gemeinschaft Rechte einräumt, aber auch Pflichten auferlegt.

Diejenigen, welche mit Verweis auf Artikel 15, Absatz 1 der Bundesverfassung den Bau von Minaretten in der Schweiz befürworten, vergessen die Bedeutung der anderen zugehörigen Artikel:

„2) Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen.

3) Jede Person hat das Recht, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen.

4) Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen.“

Dabei sind die Muslime weit davon entfernt, diesen drei Absätzen gerecht zu werden; Muslimen ist es beispielsweise verboten, aus der Glaubensgemeinschaft auszutreten. Ich persönlich kenne Muslime, welche sich zum Christentum bekannt haben und dies nun sorgfältig geheim halten, um nicht von den muslimischen Glaubensgenossen angegriffen zu werden. Bei Mischehen ist im Schweizer Recht die Entscheidung über die religiöse Erziehung der Kinder beiden Eltern in gleichem Masse überlassen. In der Realität ist es jedoch vor allem der muslimische Elternteil, welcher seine Religion den Kindern vermittelt. Im Artikel 14 der Bundesverfassung steht: „Das Recht auf Ehe und Familie ist gewährleistet“. Der muslimische Glaube erlaubt eine Ehe zwischen einem Moslem und einer Nicht-Muslimen, jedoch wird von einem Nicht-Moslem erwartet zum Islam zu konvertieren, wenn er einen Muslime heiraten möchte. Dies wird weder dem Grundsatz der Religionsfreiheit, noch dem Recht auf Ehe gerecht.

Zu erwähnen sei hier auch, dass eine Vielzahl muslimischer Staaten die Religionsfreiheit von Andersgläubigen nicht anerkennt. Vor allem im Fall von Saudi-Arabien, welches in der Schweiz und anderswo Moscheen baut, aber jegliche Präsenz von christlichen Institutionen auf seinem Territorium verbietet. Zudem werden praktizierende Anhänger anderen Glaubens aus dem Land verwiesen oder eingesperrt, selbst wenn diese Praktiken im eigenen Haus ausgeübt werden. In manch anderen Ländern sind Kirchen immer wieder den Attacken der muslimischen Bevölkerung ausgesetzt. Ausserdem erschweren hohe administrative Hürden den Bau von christlichen Einrichtungen bis zur Unmöglichkeit. Diese Länder üben Kritik an der Schweiz wegen der Initiative gegen Minarette, vergessen jedoch ihre eigene repressive Haltung gegenüber der Religionsfreiheit in ihrem Land. Man muss denjenigen klar machen, dass ein Minarettverbot in der Schweiz die freie Ausübung des muslimischen Glaubens nicht hindert und dass Orte dafür zur Verfügung gestellt werden

4) Naivität der Kirchen und der eidgenössischen Kommission gegen Rassismus

Es ist zu bedenken, dass diese „moralischen“ Autoritäten, welche den Bau von Minaretten befürworten, auch Stellung für das rituelle Schlachten von Tieren und der Trennung von Friedhöfen genommen haben. Dies zeugt von einer grossen Naivität. Dabei muss man sich auch in Erinnerung rufen, dass die eidgenössische Kommission gegen Rassismus Kritik an der Diskriminierung der muslimischen Glaubensgemeinschaft geübt, jedoch nie Stellung zu der von den Muslimen geübten Diskriminierung genommen hat. Diese Tatsache lässt vermuten, dass die eidgenössische Kommission gegen Rassismus anstatt Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen, diese geradezu anstachelt.

Aus diesen Gründen werde ich für die Initiative stimmen und ermutige die Schweizer Bürger dies ebenfalls zu tun; im Interesse des Friedens zwischen den Religionen in der Schweiz…und im Interesse der muslimischen Bürger.

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Dr. iur. Sami Abu-Aldeeb Sahlieh, verheiratet, zwei Töchter, 1949 im Westjordanland geboren, seit 1984 Schweizer, Dozent am Institut für Rechtsvergleichung in Lausanne, Experte im arabischen und islamischen Recht, Übersetzer des Korans auf Französisch, und der Bundesverfassung auf Arabisch.

Mehr zu Dr. Sami Abu-Aldeeb Sahlieh auf seiner Website unter Lebenslauf und Publikationen:

www.sami-aldeeb.com