Wäre es nicht geil, wenn jeder mehr auf seine Sprechweise achten würde? Digga, ich würde das so feiern. Schlechte Sprache ist nämlich im Grunde nur eines: cringe.

Von Ursula Baumgartner

Woran erkennt man, dass man alt wird? Nicht an Falten, nicht an immer grauer werdenden Haaren, nicht an schmerzenden und beim Aufstehen knackenden Gelenken. Nein, richtig alt fühlt man sich, wenn man im gleichen Zugabteil sitzt mit ein paar Jugendlichen der eigenen Nationalität – und man kein Wort von deren Konversation versteht.

Sprache lebt und das ist gut und normal. Wenn man sich heute über einen Zeitgenossen ärgert, fällt ein Satz wie „Hebe er sich hinweg!“ höchstens noch auf der Bühne. Ansonsten erleichtert man sein Gemüt mit einem von Herzen kommenden „Hau doch ab!“ Trotzdem verdient Jugendsprache immer wieder einen näheren und, wenn nötig, auch kritischen Blick. Dies gilt umso mehr, wenn sich die Bedeutung eines Wortes so stark wandelt, dass es irgendwann von niemandem mehr im ursprünglichen Sinn verwendet wird. Zwei Beispiele sollen hier unter die Lupe genommen werden.

Ein Beispiel zum Stirnrunzeln …

„Wie war es im Pfadfinderlager?“ „Wie fandest du den Film?“ „Wie ist das neue Restaurant an der Ecke?“ Diese drei Fragen haben eines gemeinsam. Sie alle könnte ein Jugendlicher mit einem einzigen Wort beantworten: „Geil!“ Die Verwendung dieses Wortes ist heute ubiquitär. (Dieser Begriff – den ich schon immer mal in einem Text verwenden wollte – bedeutet so viel wie „überall verbreitet“.) Seine ursprüngliche Bedeutung hat das Wort „geil“ allerdings weit hinter sich gelassen. Beschrieb es früher ein Individuum, das sexuell erregt oder begehrlich war, ersetzt es inzwischen bereits seit vielen Jahren Ausdrücke wie grossartig, ausgezeichnet oder fantastisch. Man muss nicht in übertriebener Weise überall etwas hineindeuten. Doch hier zeigt die globale sexuelle Revolution, um mit den Worten der Soziologin Gabriele Kuby zu sprechen, ihre faulen Früchte. Kleidung, Werbung, Musik – Erotisierung ist überall zu bemerken. Warum sollte die Sprache hier eine Ausnahme machen? Auch wenn das Wort, wie erwähnt, heute seine Bedeutung gewandelt hat und viele es lediglich unter der neuen Bedeutung verwenden, ist doch die Grenze zwischen einer allgemein-positiven Beschreibung eines Sachverhalts und der Sexualität einmal mehr verwischt und die Sexualität hat damit einen weiteren Lebensbereich erobert.

… und eines zum Empören

In eine ganz andere Richtung geht das zweite Beispiel. „Haha, du Opfer!“, ruft ein Junge seinem Kumpel zu, der gestolpert ist. Ist das nicht widersinnig? Gerade in Zeiten, in denen als typisch männlich geltende Eigenschaften wie Stärke, Führungsfähigkeit und Zielstrebigkeit als „toxisch“ geschmäht werden, verhöhnt man einen Menschen, der Schwäche oder vielleicht sogar Hilflosigkeit zeigt, als „Opfer“?

Ein Opfer kann je nach Kontext unterschiedliches bedeuten. Man kennt religiöse Opfer, wie z.B. die Tieropfer in verschiedenen Religionen. Doch auch ein Mensch kann ein Opfer werden, Opfer einer Naturkatastrophe, eines Schicksalsschlages oder eines Verbrechens. Und die einzig richtige Haltung eines anderen Menschen dem gegenüber ist Empathie und Hilfsbereitschaft. Die Verwendung dieses Wortes als Beleidigung und Schimpfwort zeigt die Verrohung unserer Gesellschaft in erschreckend deutlicher Weise.

Dagegen hilft nur eines: die eigene Sprechweise zu pflegen, seinen Sprachschatz zu hüten und gegebenenfalls auch andere dazu zu ermuntern. Und allen, die dies ohnehin schon tun: Respekt, Bro – läuft bei dir!