Seit Sonntag, 22. Mai 2022, tagt in Genf die 75. Weltgesundheitsversammlung. Im Mittelpunkt der Debatten stehen der geplante Ausbau der Kompetenzen der WHO, deren Finanzierung sowie eine verbesserte Pandemievorbereitung.

Ein Kommentar von Regula Lehmann

Mit offensichtlicher Begeisterung eröffnete Bundesrat Alain Berset die 75. Weltgesundheitsversammlung in Genf. Diskutiert werden soll unter anderem die „global Health for Peace-Initiative“, welche die Schweiz in enger Zusammenarbeit mit dem Sultanat Oman erarbeitet hat. Laut swissinfo will die Initiative „Gesundheit als Brücke zum Frieden in fragilen Kontexten fördern und die Kapazitäten im Bereich der Gesundheitsdiplomatie ausbauen.“ Was absolut vernünftig und harmlos klingt, hat durchaus demokratiefeindliches Potenzial und sollte deshalb nicht unterschätzt werden. In der Weltwoche vom 13. Mai 2022 schreibt Nicolas Rimoldi: „Die WHO beschleunigt ihre Machtergreifung massiv. Bis am 28. Mai 2022 befindet das Gesetzgebungsorgan der WHO, die Weltgesundheitsversammlung, bestehend aus den Gesundheitsministern der 194 Mitgliedstaaten, über neue Internationale Gesundheitsrichtlinien. Falls nicht eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten den Änderungen aktiv widerspricht, treten die Neuerungen, die in einem am 12. April 2022 auf der Webseite der WHO veröffentlichen Dokument festgehalten sind, im November als verbindliches Völkerrecht in Kraft.“

Wann es sich bei einer Krankheit um eine Pandemie handelt und wann in einem souveränen Staat der Gesundheitsnotstand ausgerufen wird, würden bei Inkrafttreten in Zukunft also nicht mehr die souveränen Staaten selbst entscheiden, sondern die WHO. Mitgliedsstaaten wären verpflichtet, der WHO innert 24 Stunden Anfragen zu Gesundheitsrisiken zu beantworten und die WHO erhielte die Kompetenz, Sanktionen gegen „ungehorsame‟ Staaten zu verfügen. Im Windschatten der Androhung neuer Pandemien und des Ukraine-Krieges könnte an der Weltgesundheitsversammlung also ein Machtapparat etabliert werden, der aus souveränen Staaten Gefolgsleute der WHO macht.

Zu hoffen bleibt, dass sich eine Mehrheit der Gesundheitsminister nicht von Angst und Einschüchterung, sondern von Vernunft und einem gesunden Demokratieverständnis leiten lassen. Noch kann der geplante Pandemievertrag und damit eine ungesunde Machtverschiebung zugunsten der WHO abgewendet werden.

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