„Im Namen des Kampfes gegen Intoleranz, Rassismus und Sexismus entsteht in Westeuropa gegenwärtig ein ‚therapeutisches Kalifat‘. Dieser Ausdruck stammt vom Schweizer Philosophen Michael Rüegg. Gemeint ist eine neue Form von Herrschaft, nicht im Namen eines Gottes oder im Sinne einer Diktatur wie in China oder Nordkorea. Sondern im Sinne einer gewissermassen sanften Gesellschaftstherapie. Die Therapie einer politisch-kulturellen Elite, welche die christlichen Wurzeln des Abendlandes abschneidet und uns im Zuge der Globalisierung befreien möchte vom Hemmschuh veralteter religiöser, nationaler oder geschlechtlicher Identitäten. Westeuropa als internationales, grosses Therapiehaus – ein Haus für friedliche Volksentwicklung. So ähnlich wie das ‚Haus des Friedens‘ im Islam (‚Dar as-Salam‘), nur eben typisch europäisch, das heisst: atheistisch und wirtschaftsgetrieben. (…)

Wer sind in einem solchen Haus die Chefärzte? (…) Es sind natürlich Leute, die zur Elite gehören. (…) Hier geht es jedoch um eine Elite, die ihr politisches Mandat mit moralischer Autorität gegenüber dem Wähler verwechselt. Beispiele wären der Regierungsstil in Schweden, Frankreich oder Deutschland. Doch es gibt auch in der Schweiz genug Politiker, die wie eine moralische Instanz des Volkes auftreten, wie Heilpädagogen des sozialen Zusammenhalts. Solche Politiker sind nicht Teil einer Elite, die der Allgemeinheit dient, sondern einer Elite, die sich über uns erhebt und die für uns alle das gute Leben kennt. Eine solche Elite möchte ihre Ideen nicht in einen demokratischen Willensbildungs-Prozess einspeisen, sondern sie möchte sich einfach nur durchsetzen.“

Aus: Giuseppe Gracia (2018), Das therapeutische Kalifat – Meinungsdiktatur im Namen des Fortschritts, Fontis Verlag, S. 10 f.