An einer Nachmittagskonferenz am 26. August 2010 sprach Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf zusammen mit anderen Referenten über das Thema „Gewalt – tägliche Bedrohung“ in der Schweiz und weltweit. Vor über 200 Gästen im Luzerner Hotel Schweizerhof betonte sie, dass von allen Altersschichten der Gesellschaft wieder vermehrt „Werte vorgelebt werden“ sollten. Die Bundespolitikerin forderte, dass „der Mensch andere Antworten als Gewalt“ finden und dass Kinder- und Jugenderziehung Grenzen setzen müsse.
Die Konferenz wurde wie jedes Jahr durch die „Lucerne initiative for peace and security” (LIPS) zusammen mit dem „Sicherheitspolitischen Forum Zentralschweiz“ organisiert und stand allen Interessierten offen. Im prallvollen Saal waren nebst der Bundesrätin u.a. die Luzerner Regierungsrätin Yvonne Schärli, Dr. Ellen Ringier (Präsidentin Stiftung Elternsein) sowie der amerikanische Buchautor und Profiler Dan Korem zu hören.

Zur Eröffnung meinte die CVP-Nationalrätin Ida Glanzmann, dass uns die Sicherheit im Alltag alle betreffe und dass in der Politik ein permanentes Seilziehen zwischen Freiheit und Überwachung des Bürgers stattfinde. Der Gewaltbegriff umfasse heute sehr häufig auch nicht-physische, verbal-tyrannische Dimensionen. Yvonne Schärli wies darauf hin, dass Polizisten allein das Gewaltthema nicht lösen können. 2009 seien in der Schweiz 565 Fälle allein von häuslicher Gewalt angezeigt worden. Auch Ellen Ringier zeigte die Realität des Alltags auf: „Immer mehr Kinder verprügeln ihre Eltern und die Gewalt findet je länger je mehr bereits im Sandkasten statt. Es herrscht eine zu grosse Akzeptanz v.a. der häuslichen Akzeptanz gegenüber.“ Die Mutter von zwei Töchtern wusste aus Erfahrung zu berichten, dass es in einem Staat allen gut gehe, wenn es den Familien gut geht. 80 Prozent aller Täter seien Männer, dies bei einem überdurchschnittlich hohen Ausländeranteil, vor allem bei Tötungsdelikten, wusste die 56-jährige zu berichten. Dieser Befund wurde später auch von Widmer-Schlumpf untermauert: „In der Schweiz leben „nur“ 21,6 Prozent Ausländer, aber rund 50 Prozent aller in unserem Land Verurteilten sind Ausländer!“ Interessanterweise existieren aber über die häusliche Gewalt, welche von Frauen an Männern verübt wird, keine Zahlen.

Sie sei mit ihren eigenen Kindern „echt in der Scheisse“ gesessen, sagte die feministisch wirkende Ringier, welche in der abschliessenden Podiumsdiskussion ein „Bundesamt für Familie“ anregte. Ihre Familie soll aber keine klassische Struktur aufweisen. Wie sie gegenüber Zukunft CH aussagte, lehnt sie jegliche Form vertikaler Strukturen ab: Den Vater als Familienvorstand oder letzten Verantwortungs- und somit Entscheidungsträger erachtet die Ehefrau des Schweizer Medienzars Michael Ringier (u.a. Blick, Schweizer Illustrierte) als bekämpfungswürdig. Sie plädierte für die Errichtung von mehr Frauenhäusern.

Das unter vielen Zuhörern als bestes empfundene Referat hielt der Amerikaner Dan Korem über das Thema Amok. Als einziger Redner untermauerte er seine vorgetragene Botschaft mit viel hilfreichem Bild- und Graphikmaterial. Amoktäter litten häufig unter einer Depression und wohnten meist in kleineren Vorstädten grosser Zentren. Dabei würden wohlhabende Quartiere der Agglomerationen, wo die Kinder oft verwahrlost und ohne elterliche Aufsicht aufwachsen müssen, die grösste Gefahr für die Entwicklung amokgefährdeter Menschen bergen. Er erläuterte die erschreckende Situation in den USA: „Auf jeden Tag kommen rund 100 mehr oder weniger dramatische Amokläufe mit Bomben, Pistolen und Messern, vier bis sechs Prozent der 64 Millionen Studenten sind amokgefährdet.“ Leider sehe die Situation in der Schweiz nicht viel anders aus: Ebenfalls rund 6 Prozent der ca. 45‘000 Studenten hierzulande litten unter einer klinischen Depression, nicht selten seien die späteren Täter frühere Opfer von Mobbing gewesen. Dan Korem ist überzeugt, dass künftige Amokläufer vermehrt schon im vornherein in der Gesellschaft erkannt und herausgefiltert werden könnten. Diese fielen durch Unberechenbarkeit und Verunsicherung auch in kleinen Dingen auf. Seinen spannenden Vortrag beendete der Autor zahlreicher Bücher mit dem wissenswerten statistischen Befund, dass Amokläufe nie gegen eine Rasse, Ethnie oder gegen eine Kultur stattfänden.

Den Schlussauftritt hatte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf zum Thema „Gewaltprävention und Gewaltbekämpfung in der Schweiz“. Die Mutter von drei erwachsenen Kindern brachte viele interessante und wichtige Ansätze, wirkte aber etwas distanziert und unnahbar. Letzteres manifestierte sich vor allem in ihrer schnell und etwas emotionslos vorgetragenen Rede. Die Ostschweizerin hielt gleich zu Beginn fest, dass der Mensch grundsätzlich mit der Fähigkeit zur Gewalt geboren werde und deshalb durch konsequente und aufmerksame Erziehung ein rechtes Verhalten erlernen müsse. Es solle nicht nur die Gewalt bekämpft, sondern auch die Beweggründe dazu ausgelotet werden. „In Sachen Ausländerkriminalität verfolgt der Bund die Strategie ‚fördern und fordern‘, Gewaltprävention ist immer eine Gratwanderung“, liess sie die Zuhörer wissen. Wie schon Ellen Ringier eingangs erwähnte, hätten spätere Gewalttätige in der Regel bereits im zarten Kindesalter Gewalt erfahren. „Gute Erziehung setzt Grenzen und lebt Werte vor! Geringe elterliche Aufmerksamkeit, speziell im Kleinkindesalter ist ein Hauptfaktor für spätere Gewaltbereitschaft. Hinter Jugendgewalt stehen immer problematische Biographien“, bestätigte die Vorsteherin des Justiz- und Polizeidepartements alle vorab gezeigten Statistiken von Dan Korem. Sie appellierte mehrmals an die Mütter und die Bedeutung des Mutterseins wie auch an die Erziehung im Elternhaus generell als wirksamste Prävention. Ursachen für Gewaltbereitschaft ortet sie vor allem bei fehlender Integration und Demokratie, bei Ausgrenzung, Ungleichheit und Verherrlichung von Gewalt. „Die Schweiz ist im Integrationsbereich vorbildlich“, meinte die BDP-Politikerin, „wir dürfen nicht vergessen, dass sich die grosse Mehrheit der Bevölkerung korrekt verhält. Verallgemeinerungen sind nicht angebracht!“ Eine beunruhigende Zunahme stellt sie bei links- und rechtsextremistischen Vorfällen fest. Diese wolle der Bund besonders aufmerksam beobachten.

R.W.