Das doppelte Lottchen, Emil, die Detektive, Pünktchen, Anton und die drei Männer im Schnee. Sie alle kämen am 23. Februar 2024, um ihrem Erfinder Erich Kästner zum Geburtstag zu gratulieren. Der deutsche Schriftsteller würde an diesem Tag 125 Jahre alt. Wo man den Geburtstag feiern würde, wäre auch schon klar: im fliegenden Klassenzimmer!

Von Ursula Baumgartner

Erich Kästner kam am 23. Februar 1899 in Dresden zur Welt. Nach seinem Lehramtsstudium arbeitete er jedoch zunächst als Journalist, hatte er doch früh die Liebe zum Schreiben entdeckt. Diese Liebe hielt lebenslang an, sodass er bei seinem Tod am 29. Juli 1974 eine beeindruckende Reihe an Werken hinterliess. Offenbar hielt er sich also selbst treu an seinen Ratschlag: „Denkt ans fünfte Gebot: Schlagt eure Zeit nicht tot!“

Kästner als Kinderbuchautor

Kästner wurde vor allem als Kinderbuchautor berühmt. Er nahm Kinder ernst und besass die schöne Fähigkeit, sich in sie hineinzuversetzen und Geschichten aus ihrer Perspektive zu erzählen. Die Kinder in seinen Büchern übernehmen häufig die Aufgabe von Erwachsenen, wie beispielsweise die Zwillinge im „Doppelten Lottchen“. Die etwa zehnjährigen Mädchen bringen im Laufe der Geschichte die entfremdeten Eltern wieder zusammen. Auch in „Emil und die Detektive“ sind es die Kinder, die einen Diebstahl aufklären, nicht die Erwachsenen.

Letzteren traute Kästner hingegen nicht so recht zu, Missstände zu beheben. Der deutsch-polnische Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki sagte daher über Kästner, er liebe „das Spiel mit den vertauschten Rollen“.

Kästner und seine Zeit

Die innere Zerrissenheit und der Zynismus, der sich in manchen Werken von Erich Kästner zeigt, lassen sich möglicherweise auf die politischen Umstände seiner Zeit zurückführen. Spätestens seit Kästner im Ersten Weltkrieg als Soldat dienen musste, war er überzeugter Pazifist. Er machte nie einen Hehl aus seinen politischen Überzeugungen und übte z.T. deutliche Kritik an politischen und gesellschaftlichen Missständen. Mit Aussagen wie „Die Lust an der Macht hat ihren Ursprung nicht in der Stärke, sondern in der Schwäche“ machte er sich politisch keine Freunde, v.a. nicht in der NS-Zeit. Zweimal wurde er von der Gestapo verhaftet und verhört. Im Mai 1933 wurden seine Werke öffentlich verbrannt, was Kästner aus nächster Nähe miterlebte. Zudem verhängten die Nationalsozialisten ein Schreibverbot gegen ihn.

Trotzdem wanderte er nicht aus, sondern blieb im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen in Deutschland. Er wollte die Entwicklung des politischen Geschehens mitverfolgen können. Auf diese Weise wandte er selbst an, was er im „Fliegenden Klassenzimmer“ schrieb: „An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.“

Kästner heute

Fast 50 Jahre ist es her, dass Erich Kästner starb. Seine Werke, v.a. die Kinderbücher, erfreuen sich trotzdem nach wie vor grosser Beliebtheit. Davon zeugen viele Verfilmungen auch aus den letzten Jahren, wie beispielsweise die des „Doppelten Lottchens“ von 2017 und die Verfilmung des „Fliegenden Klassenzimmers“ von 2023. Auch wenn diese Verfilmungen die ursprünglichen Geschichten teilweise recht modernisiert darstellen, hat Kästner offenbar auch unserer Zeit noch einiges zu sagen. So ist vielleicht ein Buch von ihm auch heute noch ein schönes Geschenk – an Erwachsene und Kinder. Denn um es mit Kästners eigenen Worten zu sagen: „Wer Bücher schenkt, schenkt Wertpapiere!“