Eine Doku-Serie auf VOX zeigt, wie 13 Menschen mit Down-Syndrom den Weg in den regulären Arbeitsmarkt finden könnten.

Ein „Kochkurs in einer anderen Sprache“, so bezeichnet der deutsche Fernsehkoch, Tim Mälzer, seine aussergewöhnliche Idee, einer Gruppe von 13 Menschen mit Down-Syndrom durch ein Ausbildungsprojekt den Weg in den regulären Arbeitsmarkt zu ebnen. Das Projekt wurde durch die Doku-Serie „Zum Schwarzwälder Hirsch – eine aussergewöhnliche Küchencrew“ vom Fernsehprogramm Vox begleitet. Die ersten Folgen können bereits auf RTL+ abgerufen werden.

„Nicht ausbildungsfähig“?!

Drei Monate haben die 13 Teilnehmer auf dem Hofgut „Himmelreich“ im Breisgau verbracht. Sie haben zusammengewohnt und zusammengearbeitet. Unabhängig von dem Projekt hat das Hofgut auch sonst eine Akademie, die darauf spezialisiert ist, Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen auf verschiedene Tätigkeiten vorzubereiten, um Inklusion auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

In der ersten Folge der Serie erklärt Tim Mälzer wie Menschen mit Down-Syndrom normalerweise als „nicht ausbildungsfähig“ abgestempelt werden und von dem regulären Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind. Die Bezeichnung „nicht ausbildungsfähig“ empfinde er als „eine Frechheit“, zumal es seines Erachtens (zumindest im Restaurantbetrieb) „Platz für alle“ gebe. Ziel des dreimonatigen Projektes ist es gewesen, die 13 Teilnehmer professionell an den Restaurant-Service und die Arbeit in der Küche heranzuführen und zu beweisen, dass sie sehr wohl „ausbildungsfähig“ sind. Dabei hat der Koch laut Medienberichten ein Restaurant-Konzept entwickelt, welches die unvermeidbaren Schwächen der Teilnehmer respektiert, aber „so viel Eigen- und Hauptverantwortung wie möglich” ermöglicht.

Doku zeigt Ängste der Auszubildenden, der Leiter und der Eltern

Die Serie zeigt die Herausforderungen, das Konzept umzusetzen. Es werden die persönlichen Hürden der einzelnen Teilnehmer präsentiert, aber auch die Unsicherheiten Tim Mälzers und des Schauspielers André Dietz (der ebenfalls als Mentor das Projekt begleitet hat) mit der „aussergewöhnlichen Küchencrew“ umzugehen. Menschen mit Down-Syndrom weisen ein anderes Lernverhalten, ein anderes Sozialverhalten und eine andere Belastungsgrenze auf. Die Angst, sich vom vertrauten Elternhaus zu trennen, die Schwierigkeit, sich passend für die Arbeit anzuziehen, sind alles reale Herausforderungen, die der Dokumentarfilm zeigt. Ebenso wie die Sorge der Eltern, die in Deutschland oft „vergebens nach Inklusion“ suchen und Angst haben, dass ihre Kinder „irgendwo in einer Werkstatt versauern“, weil sie nicht gefördert werden.

Aus Stärken eine Gemeinschaft und ein Restaurant aufbauen

„Normalerweise werden Menschen mit Beeinträchtigungen dort eingesetzt, wo sie am wenigsten falsch machen können“, erklärt der Fernsehkoch in der ersten Folge. Aber was passiert, „wenn man diesen Menschen aufrichtiges Vertrauen schenkt?“ Wenn man sie dort einsetzt, „wo sie am meisten richtig machen können?” Laut André Dietz gehe es darum, den „ganzen Menschen“ zu sehen, ihn nicht nur auf seine Schwächen zu reduzieren, sondern auch seine Stärken wahrzunehmen und mit diesen zu arbeiten.  Es sei dem Koch und seinen Helfern nicht darum gegangen, ein Sozialprojekt aufzubauen, bei dem den Teilnehmern ein „gutes Gefühl“ vermittelt wird, weil sie beschäftigt sind, sondern aus der Kombination von Stärken, eine Gemeinschaft und daraus ein echtes Restaurant aufzubauen. Wer gut mit Stress umgehen kann, arbeitet in der Hauptküche, wer ausdauernd ist, kümmert sich um die Vorbereitungen, wer kommunikativ ist, arbeitet im Service.

Die 17-jährige Teilnehmerin Ayla-Marie äussert ihr Bedürfnis nach Selbständigkeit folgendermassen: „Meine Eltern machen fast alles für mich, aber ich möchte auch mal mich selbst zeigen“. Ob eine weitgehende selbständige Arbeit des Küchenteams nach der Ausbildung gelingt, lässt der Fernsehkoch offen. Die wichtigste Form von Erfolg sei aber ohnehin, so Tim Mälzer, bereit zu sein, einen gemeinsamen Weg zu gehen und „sowohl an uns als auch an ihnen und eben mit Menschen mit Down-Syndrom zu arbeiten“. Erfolgreich sei also das Projekt am „Himmelreich“ unabhängig von dem Ergebnis gewesen. Es hat einen Raum geschaffen, in dem Menschen mit Down-Syndrom ihre unterschiedlichen Stärken zeigen können und als vollwertige Mitglieder einer Gemeinschaft und Gesellschaft wahrgenommen werden. Es ist ein Beispiel echter, wortwörtlicher „Inklusion“, und zwar Inklusion als „Einschliessung“ und „Einbeziehung“.

 Quelle: IEF vom 5. November 2022