Im September 2016 wurde unter dem Titel „Benedikt XVI. – Letzte Gespräche mit Peter Seewald“ ein weiterer und letzter Interviewband des bekannten Journalisten Peter Seewald mit Joseph Ratzinger veröffentlicht. Der grosse deutsche Theologe, der von 2005-2013 Papst war, wirft in seinen Antworten einen Blick zurück auf sein Leben, wagt aber auch einen Blick in die Zukunft des Christentums in Europa. Welche Herausforderungen warten auf die europäischen Christen?

Ratzinger sieht das Christentum der Zukunft „offenkundig“ als „nicht mehr deckungsgleich mit der modernen Kultur“, die „christliche Grundgestalt“ als „nicht mehr bestimmend“. Wir lebten heute in einer positivistischen und agnostischen Kultur, die sich gegenüber dem Christentum zunehmend als intolerant zeige, so Ratzinger. Insofern werde die westliche Gesellschaft, jedenfalls in Europa, nicht mehr einfach eine christliche Gesellschaft sein.

Christen in der Verantwortung

Dennoch, oder gerade deswegen schreibt Ratzinger den Christen Europas aber eine zentrale Rolle zu: „Umso mehr werden sich die Glaubenden darum bemühen müssen, dass sie das Wertebewusstsein und das Lebensbewusstsein weiterhin formen und tragen. Wichtig wird eine entschiedene Gläubigkeit der einzelnen Gemeinden und Ortskirchen. Die Verantwortung wird grösser.“

Schlicht unverzichtbar ist für den emeritierten Papst auch der christliche Missionsauftrag: „Man darf nicht einfach aufgeben, das Evangelium zu verkündigen. Es schien ja auch in der griechisch-römischen Welt völlig absurd, dass da ein paar Juden hinausgehen und die grosse, gelehrte, gescheite griechisch-römische Welt für das Christentum zu gewinnen suchen.“ Auf mögliche Misserfolge könne keine Rücksicht genommen werden, so Ratzinger.

Das unverzichtbare Wort Gottes

„Wie Europa sich entwickeln wird, wie weit es noch Europa sein wird, wenn andere Bevölkerungsschichten es neu strukturieren, wissen wir nicht. Aber dieses Wort zu verkünden, das die Kraft in sich trägt, Zukunft zu bauen, den Menschen das Leben sinnvoll zu machen, sie leben lehrt, das ist unabhängig von jedem Erfolgskalkül absolut notwendig. Die Apostel konnten keine soziologischen Untersuchungen machen, geht das oder geht das nicht, sondern sie mussten auf die innere Kraft dieses Wortes vertrauen. Es waren zunächst ganz wenige, kleine Leute, die sich anschlossen. Aber es zog dann seine Kreise.“

Ratzinger weist realistisch darauf hin, dass ein Verschwinden des Evangelium aus ganzen Kontinenten möglich ist:  „Wir sehen ja, die christlichen Kontinente des Anfangs, Kleinasien und Nordafrika, sind nicht mehr christlich. Es kann auch in Räumen verschwinden, wo es gross war. Aber nie kann es ungesagt bleiben und nie kann es unwichtig werden.“

Neuerscheinung im September 2016: Benedikt XVI. – Letzte Gespräche mit Peter Seewald, München: Droemer 2016.