Es gibt Widersprüche im Leben, die lassen sich nicht vereinbaren. Eine runde Ecke ist ein Beispiel dafür. Auch helle Dunkelheit ist selten zu beobachten. In der Ostergeschichte im Matthäus-Evangelium begegnet uns noch ein besonders schönes Exempel: schlafende Wächter.

Von Ursula Baumgartner

Der Karfreitag ist vorbei. Der „Störenfried“ Jesus ist beseitigt, denken die Hohenpriester und Pharisäer erleichtert. Doch dann fällt ihnen siedendheiss ein: Er hat ja seine Auferstehung vorhergesagt! Was also tun? Sie selbst glauben nicht daran, dass jemand, der tot ist, wieder lebendig werden kann. Doch sie trauen weder Jesus noch seinen Anhängern. Was, wenn die Jünger den Leichnam einfach aus dem Grab stehlen und behaupten, er sei auferstanden? Dann ginge der ganze Spuk weiter. So bitten sie Pilatus, das Grab bewachen zu lassen.

Bestechung, Lüge, …

Wir alle wissen, wie es in der Ostergeschichte weitergeht. Die Auferstehung findet trotzdem statt. Die Wächter, so berichtet der Evangelist Matthäus, erleben das damit verbundene Erdbeben und die Erscheinung des Engels. Vor Schreck fallen sie zu Boden und sind „wie tot“. Als die Hohenpriester davon erfahren, geben sie ihnen Geld und tragen ihnen auf: „Erzählt den Leuten: Seine Jünger sind bei Nacht gekommen und haben ihn gestohlen, während wir schliefen.“

… Rufmord und Zwist

Ein Wachmann, der zugibt, während des Dienstes geschlafen zu haben, gewinnt nun nicht gerade Vertrauen. Zudem ist es ungerecht, die Wächter in diesen Ruf zu bringen. Denn an sich haben sie ja nichts falsch gemacht. Doch gegen Gottes Macht waren sie machtlos. Ein Wächter, der im Dienst schlief, hatte zudem schwere Strafen zu befürchten. Wenn die betroffenen Wächter nun nicht bestraft wurden, da die Hohenpriester dies verhinderten, dürfte dies zu ziemlichen Auseinandersetzungen unter den Kollegen geführt haben.

Begraben der Wahrheit

Dass die Müdigkeit der Wächter als Grund akzeptiert, ja sogar vorgeschlagen wurde, zeigt deutlich, dass es nicht um die Wahrheit geht. Man will vom Thema ablenken. Man will nicht zugeben, man will nicht wahrhaben, dass Jesus auferstanden ist. Denn müsste man sonst nicht selbst daran glauben, dass Jesus der Sohn Gottes ist? Man will die Wahrheit nicht mehr aus dem Grab befreien. Also erzählt man lieber von schlafenden Wächtern und von stehlenden Jüngern. Abgesehen von all dieser Absurdität kann man sich die Frage stellen: Woher will man eigentlich wissen, was des Nachts passiert ist, wenn doch die Wächter geschlafen haben?

Bewachte Gräber im eigenen Leben

Zudem kann man überlegen: Warum geben die Hohenpriester diesen Befehl? Wovor haben sie Angst, warum stellen sie sich der Wahrheit nicht? Und das führt noch zu weitaus unangenehmeren Fragen. Welche „Gräber“ in unserem Leben bewachen wir, weil wir Angst haben, dass etwas wieder lebendig werden könnte? Was wollen wir nicht wahrhaben? Frust, Wut, Hass, Groll, unerfüllte Lebensträume, Entscheidungen, die revidiert werden müssten, nicht aufgearbeitete Beziehungsprobleme, ungelöste Konflikte mit Familie und Freunden, … All das sind „bewachte Gräber“ in unserem Leben, die verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kommt, ja lebendig werden kann.

Lass die Wahrheit auferstehen!

Ebenso wie im Evangelium führen die bewachten Gräber unseres Lebens auch zu Unwahrheit in der einen oder anderen Form. Dazu muss man nicht andere bestechen und zur Lüge anstiften. Meistens schaffen wir es problemlos, uns selbst zu belügen. Doch nur die Wahrheit wird uns frei machen. Bewachen wir diese Gräber nicht länger. Lassen wir die Wahrheit auferstehen. Nur dann können auch wir auferstehen zu einem neuen Leben. Das kostet viel Mut und Überwindung, keine Frage. Aber dafür begegnet uns dann ein weiterer Widerspruch, der aber nun nicht mehr ganz so unvereinbar ist. Denn dann sind auch wir wie die Frauen am Ostermorgen gleichzeitig „voll Furcht und grosser Freude“.