Am 28. März 2008 fand im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eine Machtübernahme statt, die Menschenrechtsvertreter als das Ende der Allgemeinen Menschenrechte bezeichnen. Roy W. Brown, Delegierter der IHEU (International Humanist and Ethical Union), spricht davon, dass die Menschenrechte „tödlich getroffen“ wurden.
Bei der erwähnten Sitzung im März stimmte der UN-Menschenrechtsrat, der auf eine Initiative der Schweiz zurückgeht und seinen Sitz in Genf hat, einer von Pakistan beantragten und von den 57 Nationen der OIC (Organisation of Islamic Conference) unterstützten Resolution zu, in welcher Pakistan vom Menschenrechtsrat die Unterordnung der Meinungsfreiheit unter die Scharia forderte. Die Resolution wurde mit 32 Stimmen dafür, 15 Enthaltungen und keiner Stimme dagegen (!) angenommen. Somit hat der Menschenrechtsrat nun künftig über den „Missbrauch der Meinungsfreiheit“ zu berichten, wenn „rassistische oder religiöse Diskriminierung“ im Spiel sei, wie z.B. wenn jemand sich gegen Scharia-Gesetze ausspreche, gemäss denen Frauen zu Tode gesteinigt werden. „Doch ohne Meinungs- und Pressefreiheit gibt man den Schreckensherrschaften grünes Licht“, erklärt Brown, „und macht es unmöglich, Korruption, Ungerechtigkeit und Unterdrückung aufzuzeigen.“

Pressezensur statt Meinungsfreiheit

Empört reagierte auch der Welt-Zeitungsverleger-Verband WAN auf die wiederholten Vorstösse zur Beschränkung der Meinungsfreiheit. Der Rat müsse sich nicht auf den „Missbrauch“, sondern im Gegenteil auf die rapide wachsende Einschränkung der Meinungsfreiheit weltweit konzentrieren. Seine eigentliche Aufgabe sei es, „die Meinungsfreiheit zu verteidigen und eben nicht, Pressezensur im Auftrag autokratischer Regime zu fördern“, so das Präsidium der WAN in einer Erklärung. „Schon im März 2007 hat der Menschenrechtsrat auf eine Initiative Pakistans zugunsten der OIC eine Resolution verabschiedet, die den Weg zur staatlichen Einschränkung der Meinungsfreiheit aus Gründen des Schutzes religiöser Gefühle frei machte.“ Das Präsidium der WAN sei sehr besorgt über diese offensichtliche Trendumkehr des UN-Menschenrechtsrats.

Eine Vorwegnahme dieses Ereignisses stellte bereits ein Vorfall am 13. März 2008 im Menschenrechtsrat dar, bei dem Vertreter Pakistans und Ägyptens versuchten, den IHEU-Sprecher Brown durch mehrmaliges Unterbrechen von einer Rede abzuhalten, welche erklärte, warum die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte“ im Islam von 1990 nicht mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 zu vereinbaren seien. Der pakistanische Delegierte unterbrach die Erklärungen Browns mit den Worten: „Es beleidigt unseren Glauben, die Scharia hier in diesem Forum zu diskutieren!“

Kritik an religiösen Gesetzen verboten

Beispielhaft, was nun der britische Historiker und Vertreter der AWE (Association for World Education) David Littman in einer Sitzung des Menschenrechtsrates am 16. Juni 2008 erlebte: Als er die Steinigung von Frauen und die Verheiratung neunjähriger Mädchen in Ländern verurteilte, in denen die Scharia angewendet werde, wurde er seitens der OIC-Delegierten 16 Mal unterbrochen und schliesslich daran gehindert, seine Erklärung zu verlesen. Doru Romulus Costea, Präsident des UN-Menschenrechtsrats versprach den OIC-Vertretern anschliessend, Kritik an religiösen Gesetzen künftig zu unterbinden.

Tritt der UN-Menschenrechtsrat also zukünftig zusammen, wird Sprechern, wenn sie „religiöse Gefühle verletzen“ oder die Scharia kritisieren, das Wort verboten: Zensur statt Förderung und Schutz der Menschenrechte – wie es die eigentliche Aufgabe des UN-Menschenrechtsrats wäre. „In Genf starb dieser Rat und mit ihm die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, deren 60. Jahrestag wir in diesem Jahr hätten feiern können“, so das Fazit von Brown.

Von Beatrice Gall