Weihnachten ist das grosse Wunder
der vergebenden Gnade Gottes
den verlorenen Leuten bietet er ewiges Leben.
Das ist das Wunder der Heiligen Weihnacht,
dass ein hilfloses Kind unser aller Helfer wird.
Das ist das Wunder der Heiligen Nacht,
dass in die Dunkelheit der Erde die helle Sonne scheint.
Das ist das Wunder der Heiligen Nacht,
dass traurige Leute ganz fröhlich werden können.
Das ist das Wunder der Heiligen Nacht:
Das Kind nimmt unser Leben in seine Hände,
um es niemals wieder loszulassen.

(Friedrich von Bodelschwingh, 1831-1910, deutscher Pastor, Theologe)

Der Verfasser dieses Weihnachtsgedichtes, Friedrich von Bodelschwingh, wurde schon zu Lebzeiten zur Legende. Sein Biograph Hans Walter Schmuhl beschreibt Bodelschwingh als gütigen, menschenfreundlichen Mann von unerschütterlicher Glaubenskraft und heiterer Gelassenheit.

Von Bodelschwingh wuchs als Sohn eines hohen preussischen Beamten und späteren Ministers in einem gutbürgerlichen, entschieden christlichen Elternhaus auf. Durch seinen Hauslehrer erhielt Friedrich schon früh Einblicke in das Leben der Armen; ein Leben, das von Hunger, Blösse und Elend, aber auch von einer grossen Kluft zwischen Arm und Reich geprägt war. Nach dem Abitur in Dortmund verbrachte von Bodelschwingh Lehrjahre als Landwirt auf Gut Gramenz in Pommern, im heutigen Polen. Hier sah er das Elend der Landarbeiter und bemühte sich darum, gegen ihren Alkoholismus anzugehen. Von 1858 bis 1864 wirkte er als Pfarrer in einer Gemeinde von deutschen Fremdarbeitern in Paris und kümmerte sich um deren Not. Um ihr Leben zu teilen, wohnte Friedrich wie seine Gemeindemitglieder in einer einfachen Holzhütte. 1872 übernahm von Bodelschwingh die Leitung der 1867 gegründeten Anstalten für Epilepsiekranke in Bethel bei Bielefeld, die später nach ihm benannt wurden. Er sorgte für ein rasches Wachstum der Einrichtung – jedes Jahr konnte ein neues Haus gebaut werden. Die finanziellen Mittel erhielt er einerseits über seine Beziehungen in höchste Kreise, andererseits durch den gezielten Aufbau der sogenannten „Pfennigvereine zum Spendensammeln“ in ganz Deutschland.

Von Bodelschwingh setzte sich für Arbeitslose und für Obdachlose ein, die er die „Brüder von der Landstrasse“ nannte. Unter seiner Führung wurden die Anstalten erheblich erweitert. Neben den kranken Epileptikern wurden auch Obdachlose und andere sozial benachteiligte Personen aufgenommen. Von Bodelschwinghs Lebenswerk wurde zum grössten Hilfswerk der diakonischen Einrichtungen der evangelischen Kirche in Deutschland. Die letzten zehn Lebensjahre von Bodelschwinghs waren von Krankheiten geprägt; nach einem Schlaganfall war er im letzten Jahr vor seinem Tod an den Rollstuhl gefesselt und übertrug die Leitung der Anstalten seinem gleichnamigen Sohn Fritz von Bodelschwingh.

Die Bodelschwinghschen Anstalten sind heute die grösste diakonische Einrichtung in Europa und führend in der Behandlung und Erforschung der Epilepsie. In den Einrichtungen der Alten-, Behinderten- und Jugendhilfe, in Hospizdiensten, Psychiatrie und Einrichtungen für Menschen mit Hirnschädigungen stellen rund 13’000 Beschäftigte ihr Herz, ihre Hände und ihre Füsse zur Verfügung, um den Ärmsten zu dienen. Weit über von Bodelschwinghs Leben hinaus wirkt es in unsere Gegenwart hinein – das Wunder der Heiligen Nacht.