Sind Jungen in unserem Bildungssystem benachteiligt? Eine Replik zum Beitrag von Miriam Missura (NZZ am Sonntag, 28. September 2019) über mangelnden schulischen Fleiss von Knaben.

Von Hanspeter Amstutz

Sicher gibt es manche Klassen, wo Faulheit bei der männlichen Jugend vorherrscht und die Mädchen entsprechend weit bessere Leistungen erbringen. Doch das muss überhaupt nicht so sein. Knaben haben meist ein anders Lernverhalten als Mädchen. In Fächern mit formalen Anforderungen wird dies besonders deutlich. Wer Buben primär vom frühen Französischunterricht oder vom selbstorganisierten Deutschlernen her beurteilt, wird an männlichem Lernverhalten sicher einiges auszusetzen haben.

Doch Buben werden gute Leistungen zeigen, wenn man sie richtig packt. Knaben schätzen einen strukturierten und fairen Frontalunterricht, wenn es um klar deklarierte Ziele geht, die mit Fleiss erarbeitet werden müssen. Sie lieben dabei einen gewissen Wettbewerb und verbessern so ihr Arbeitsveralten. Wenn es der Lehrperson gelingt, die Besten als konkurrierende Gruppe motivierend im Unterricht einzuspannen, wird sich eine gesunde Lerndynamik im Klassenverband entwickeln.

Mit formal geprägten Lektionen allein aber kann man Knaben längerfristig nicht gewinnen. Buben suchen beim Lernen immer wieder die spannenden Momente und begeistern sich für Grosses. Dieses männliche Bedürfnis nach bedeutenden Aufgaben und aufregenden Erlebnissen kann man negieren, aber es ist besser, im Unterricht dafür Raum zu geben. Der heldenhafte Kampf britischer Piloten in der Luftschlacht um England oder die Dramatik einer Ballade über John Maynard lassen Bubenherzen höher schlagen. Aber auch ein attraktiver Sachkundeunterricht bietet Stoff in Hülle und Fülle, um Buben zu begeistern. Sind sie einmal von einem Thema gefesselt, zeigen sie Ausdauer und oft einen hohen Leistungswillen.

Mädchen wurden bei uns bis in die Neunzigerjahre von gewissen Fächern ausgeschlossen und so erheblich benachteiligt. Doch nun spielen Fremdsprachen eine weit grössere Rolle und der stärker kommunikative Unterrichtsstil kommt den Mädchen entgegen. Damit die Knaben nicht zu unnötigen Verlierern werden, gilt es, die männlichen Aspekte in der Pädagogik wieder besser zu berücksichtigen.