Entsetzt haben sich führende Kirchenvertreter nach dem klaren Sieg der islamistischen Muslimbrüder und Salafisten in der ersten Runde der ägyptischen Parlamentswahlen geäussert. Der offizielle Sprecher der katholischen Kirche in Ägypten, Pater Antoine Rafael Greiche, sagte dem weltweiten katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ (KIN), mit dem guten Abschneiden der Muslimbrüder, die 45 Prozent der Stimmen erhielten, habe man gerechnet, den 21-Prozent-Erfolg der fundamentalistischen Salafisten habe man aber nicht erwartet.
„Ihr Erfolg ist eine grosse Überraschung und ein Grund, alarmiert zu sein – und zwar nicht nur für Christen, sondern auch für moderate Moslems.“ Greiche warnte: „Die Salafisten sprechen offen darüber, den Tourismus zu verbieten und Frauen die Ganzkörperverschleierung gesetzlich vorzuschreiben.“ Sie sähen Christen und gemässigte Muslime als „Ungläubige“ an und träten für eine scharfe Umsetzung der Scharia ein.

Pater Greiche erinnerte daran, dass die Salafisten allein in diesem Jahr für mehrere Angriffe auf christliche Kirche verantwortlich seien. „Sie verlangen von uns Christen, dass wir in den Westen fliehen und sprechen von Ägypten, als wäre es ein rein muslimisches Land, obwohl hier bis zu 13 Millionen Christen leben.“ Der bisherige Wahlsieger, die Partei „Freiheit und Gerechtigkeit“ der Muslimbrüder, ist nach Ansicht Pater Greiches nicht weniger radikal als die „Nour“-Partei der Salafisten. Allerdings seien die Muslimbrüder „verärgert“ über das unerfahrene Auftreten ihrer Glaubensgenossen, sagte er weiter.

Der koptisch-katholische Bischof Kyrillos von Assiut in Oberägypten sagte gegenüber KIN, er habe keine Angst vor den Salafisten oder den Muslimbrüdern. „Ihr Erfolg hat uns zwar überrascht, aber wir müssen abwarten und sehen, was in den nächsten beiden Runden der Parlamentswahl geschieht.“ Dagegen äusserte sich der koptisch-katholische Bischof von Gizeh, Antonios Aziz Mina, kritisch. Er sagte gegenüber KIN: „Die Muslimbrüder wissen, was sie tun. Ich habe Angst davor, was sie und die Salafisten anstellen werden, wenn sie erst die Macht haben.“

Beide Bischöfe und Pater Greiche warnten davor, die Situation voreilig zu beurteilen und betonten, die Wahlen befänden sich immer noch in einer frühen Phase. Pater Greiche erklärte, dass Hinweise auf Unstimmigkeiten bei der Stimmenabgabe in Kairo und Alexandria dazu geführt hätten, dass ein Teil der Stimmen für ungültig erklärt worden sei. In den betroffenen Bezirken müsse die Wahl im nächsten Monat wiederholt werden.

Die zweite von insgesamt drei Wahlrunden wird am 14. Dezember 2011 beginnen, die letzte dann am 3. Januar 2012. Beide Wahlgänge werden in konservativeren und ländlicheren Bezirken abgehalten werden, als die erste Runde, die am 28. November stattfand.

Medienmitteilung Kirche in Not