Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) fordert die Regierung der Türkei anlässlich des 90. Jahrestages der Republikgründung am heutigen 29. Oktober 2013 auf, längst überfällige Schritte gegen die Benachteiligung der christlichen Minderheit einzuleiten und deren Religionsfreiheit sicherzustellen. Auch die Rechte anderer religiöser Minderheiten, wie Aleviten und Jesiden, müssen vom EU-Beitrittskandidaten Türkei gewährleistet werden.
Zur Ermöglichung der Ausbildung für christliche Kleriker und Religionspädagogen gehört die international seit langem geforderte Öffnung des griechisch-orthodoxen Seminars auf der Prinzeninsel Chalki im Marmarameer, so die IGFM. Ebenso haben die armenisch-christlichen Staatsbürger der Türkei das Anrecht auf eine theologische Universitätsfakultät. Die Türkei muss darüber hinaus legale Unterrichtsmöglichkeiten für aramäisch/assyrische Christen in den in die Antike zurückgehenden Klöstern des Tur Abdin ermöglichen. Das dort gepflegte Aramäisch entspricht der Sprache Jesu, deren offizielles Lehrverbot für eine moderne Türkei völlig unverständlich ist.

Die internationale Gemeinschaft erwartet ebenso ohne Abstriche die von Ministerpräsident Erdogan mit dem Reformpaket vom 30. September 2013 angekündigte Rücknahme der gerichtlich verfügten Landenteignungen des syrisch-orthodoxen Hauptklosters Mor Gabriel mit bisher nicht erfolgten Grundbucheintragungen. Ebenso ist es nicht tragbar, dass die syrisch-orthodoxe Gemeinschaft in Istanbul bis jetzt kein geeignetes Grundstück für eine gewünschte neue Kirche erhalten hat. Der staatlich behinderte Gebrauch des ökumenischen Patriarchentitels für das griechisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt Bartholomäus steht im Widerspruch zu Artikel 9 der von der Türkei anerkannten Europäischen Menschenrechtskonvention. Ministerpräsident Erdogan muss sich daran erinnern lassen, dass ein EU-Beitrittskandidat auch am Grad der im Land geltenden Religionsfreiheit für alle Religionen gemessen wird.

Der Prozess um die Ermordung von drei Protestanten in Malatya im Jahr 2007 ist immer noch nicht abgeschlossen. Eine im EU-Fortschrittsbericht von Mitte Oktober 2013 angemahnte Streichung der Religionszugehörigkeit in den Personalausweisen würde zur weiteren Gleichstellung der Christen, insbesondere von Konvertiten aus dem Islam, beitragen, so die IGFM.

Karl Hafen, geschäftsführender IGFM-Vorsitzender: „Religionsfreiheit gehört zu den elementaren menschlichen Rechten und ist bisher in der Türkei neben anderen bürgerlichen Freiheiten unzureichend realisiert. Deshalb soll bei der EU-Regierungskonferenz am 5. November in Brüssel nicht nur das EU-Beitrittskapitel 22 „Regionalpolitik“, sondern auch das Kapitel 23 „Justiz und Grundrechte“ für die Türkei begonnen werden!“.