Unter Federführung der Stiftung Sexuelle Gesundheit Schweiz (SGS) haben am 5. Mai 2015 gegen 40 Organisationen die „Allianz für Sexualaufklärung“ in der Schweiz lanciert. Die Mitglieder – darunter auch die Kinderärzte Schweiz und der Dachverband der Schweizer Lehrer LCH – verpflichten sich dazu, die sogenannten WHO-Standards für Sexualaufklärung in der Schweiz zu fördern. Eine Analyse des Inhalts und der Autorenschaft der Standards zeigt aber, dass dieses Dokument von 2011 weder wissenschaftlich fundiert noch politisch breit abgestützt ist.
Politische und wirtschaftliche Interessen

Eine Google-Recherche über die 19 Experten, die an den WHO-Standards mitgearbeitet haben, ergibt, dass nicht weniger als acht von ihnen direkt der International Planned Parenthood Federation (IPPF) oder einer ihrer nationalen Mitgliedorganisationen – beispielsweise SGS – angehören. Für alle anderen Experten gilt, dass sie eng mit IPPF zusammenarbeiten oder zumindest deren Thesen und Ziele teilen. Diese Vernetzung ist insofern problematisch, als es sich bei IPPF nicht um eine unabhängige Forschungseinrichtung handelt, sondern um eine weltweit tätige politische Lobby-Organisation, die umstrittene Ziele im Bereich der reproduktiven und sexuellen Gesundheit verfolgt. So etwa zeichnete der US-Ableger PPFA, der mit dem Betrieb von 700 Abtreibungskliniken jährlich Millionen erwirtschaftet, 2014 die Klinik Aurora im Staat Colorado als beste Filiale aus, weil sie nicht nur mehr Abtreibungen vornahm, als laut „Quote“ vorgeschrieben sind, sondern auch die “optimistischen Erwartungen” übertraf. Und die deutsche Mitgliedorganisation Pro Familia hörte erst Mitte der 90er-Jahre unter massivem öffentlichem Druck damit auf, „einvernehmlichen“ Sex von Kindern und Erwachsenen zu propagieren.

Sexuell aktive Kinder

Die WHO-Standards, die besser IPPF-Standards genannt werden sollten, behaupten beispielsweise, dass schon das Kind ein sexuell selbstbestimmtes Wesen ist. Im Hinblick auf eine behauptete „psychosexuellen Entwicklung“ des Kindes hält die IPPF bestimmte, angeblich sexuelle Verhaltensweisen wie kindliches Doktorspiel und Reiben der eigenen Geschlechtsorgane für notwendig und fördernswert. Dr. Jakob Pastötter, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftlichen Sexualforschung, warnt auf Anfrage von Zukunft CH vor solchen Thesen: „Bislang ist es noch nicht einmal gelungen, eine solche psychosexuelle Entwicklung überhaupt zu beschreiben. Entsprechende sexualpädagogische Konzepte beziehen sich stattdessen auf psychoanalytische Vorstellungen, die aber beispielsweise von der Entwicklungspsychologie abgelehnt werden, weil sie wissenschaftlichen Kriterien nicht genügen.“ Mit der Dokumentation einzelner kindlicher Verhaltensweisen – die von Erwachsenen dann als sexuell interpretiert würden – liessen sich „Stufen“ einer psychosexuellen Entwicklung nicht nachweisen. Die Wissenschaft kenne keine diesbezüglichen Zusammenhänge, die über das Bedürfnis von körperlicher Nähe und emotionaler Stabilität hinausgingen. Es wirf laut Pastötter auch Fragen auf, “wenn bestimmte kindliche Verhaltensweisen von Sexualpädagogen als prinzipiell positiv und förderungswürdig interpretiert werden, während subjektiv als unangenehm empfundenes aufgezwungenes Verhalten keinen langfristigen negativen Einfluss haben soll.” Kinderbetreuung sei nicht der Ort für entwicklungspsychologische Experimente

Experimentierende Jugendliche

Auf die Frage, welches Menschenbild den WHO-Standards für Sexualaufklärung zu Grunde liegt, antwortet der in Österreich praktizierende Psychiater Dr. Christian Spaemann: „Es handelt sich eigentlich um gar kein Menschenbild, wenn man den Menschen als ein sinnvolles Gebilde betrachtet, bei dem Leib, Seele und Geist eine Bedeutung haben.“ Es sei eher die abstrakte Idee eines autonomen Subjekts, das aus einem Markt von Möglichkeiten beliebig wählen könne. „Die viel beschworene Rücksicht auf ‚Einvernehmlichkeit‘ und auf die ‚sexuellen Wünsche und Vorstellungen des anderen‘ ist dann“ – so Spaemann – „die einzige Ethik und Leitlinie, die übrig bleibt. Im Übrigen sollen es die sexuellen Erfahrungen selbst sein, die Normen und Werte kreieren.“ Spaemann zufolge gefährdet dieser Ansatz die menschliche Sexualität, welche nichts weniger als „Knotenpunkt in der Bildung einer Familie, Knotenpunkt zwischen den Generationen, sowie Eckstein in der Architektur des Lebens“ sei.

Europaweit und top-down

Die Schweiz ist nicht das einzige Land, das sich mit den WHO-Standards konfrontiert sieht. Vielmehr herrscht überall in Europa das gleiche Bild. Während Lobby-Gruppen mit Unterstützung der Regierungen ihre ideologische Sichtweise der Sexualität in den Köpfen der Schüler zu verankern suchen, regt sich Widerstand aus der Bevölkerung. Auf CitizenGo.org haben 2014 über 100‘000 Personen eine Petition an die WHO Europa unterzeichnet, worin sie die Rücknahme der Standards fordern. Und in der Schweiz läuft derzeit eine Petition für eine wortgetreue Umsetzung des Postulats von Nationalrat Fabio Regazzi, der einen unabhängigen Experten-Bericht über die Thesen und Arbeitsmaterialien der Stiftung Sexuelle Gesundheit Schweiz beantragt hat.

Unterschreiben Sie jetzt unter:

https://www.openpetition.eu/ch/petition/online/schluss-mit-zweifelhafter-sexualpadagogik

Dominik Lusser