Wussten Sie, dass der christliche Glaube die wirtschaftliche Mittelschicht stärkt? Ausserdem fördert er die Zufriedenheit mit dem, was man hat, auch wirtschaftlich gesehen. Dies gründet im Vertrauen darauf, dass Gott uns das gibt, was wir nötig haben.

Von Stefanie Thoms

Viele Menschen haben den Eindruck, die Bibel sei pauschal gegen Reichtum und damit gegen so vieles, was uns Menschen wichtig ist. Doch das stimmt so nicht. Das biblische Buch der Sprüche enthält erstaunlicherweise ein Gebet, das man als Bitte um Zugehörigkeit zur Mittelschicht bezeichneten könnte. Ein Mann namens Agur bittet darin Gott: „Zweierlei erbitte ich von dir; verweigere es mir nicht, bevor ich sterbe: Gehaltloses und Lüge lass ferne von mir sein; Armut und Reichtum gib mir nicht; lass mich aber meinen Teil Speise geniessen, den du mir beschieden hast. Ich könnte sonst, wenn ich zu satt würde, verleugnen und sagen: Wer ist der Herr? Oder wenn ich zu arm würde, könnte ich stehlen und mich an dem Namen meines Gottes vergreifen.“ (Sprüche 30,7–9)

Die Bibel ist nicht grundsätzlich gegen Reichtum. König Salomo und viele andere Personen der Bibel waren sehr reich. Auch heute gibt es viele Personen, die ihren Reichtum sehr verantwortungsbewusst einsetzen, auch zum Wohle von anderen, indem sie z.B. gute Arbeitsplätze schaffen. Die Bibel ist aber klar gegen solchen Reichtum, der auf Kosten anderer erworben wird. Und sie warnt davor, dass Reiche in der Gefahr stehen, Gott zu vergessen, weil ja alles so gut läuft, auch ohne ihn.

Was beim Thema Reichtum für uns wichtig ist: Vergleichen Sie einmal unseren Lebensstandard mit dem Standard der letzten paar Tausend Jahre und mit dem in anderen Ländern auf der Erde. So betrachtet gehören wir alle hier in der Schweiz zu den Reichen – ganz egal, ob Sie im Vergleich mit der Oberschicht arm oder reich sind. Im Grossen gesehen sind wir hier alle reich und profitieren von einem hoch ausgebauten Staatswesen. Denken Sie nur an die Organisation von Trinkwasser, an das heiss Duschen können, das Abwassersystem, die Abfallentsorgung, das Kochen auf einem Herd, die Gesundheitsversorgung, die allen offen steht, die kostenlosen Schulen und viele andere Dinge. All dies ist nicht selbstverständlich.

Bekannt aus der Bibel ist die Stelle, in der Jesus uns auffordert, sich keine Sorgen um die Zukunft zu machen. Gott kenne unsere Bedürfnisse und werde uns mit Essen und Kleidern versorgen. Auffällig dabei ist, dass nicht die Rede ist von Vorratsbergen für die Zukunft, nicht vom eigenen Häuschen mit Garten und auch nicht von tollen Ferien oder teuren Hobbys. Unser Bedarf, den Gott für uns sieht, scheint also sehr bescheiden. Warum fühlt sich das für uns denn so anders an? Wir haben doch ganz viele Dinge, die wir als wirklichen Bedarf sehen, wie z.B. eine gute Arbeitsstelle.

Dazu gibt es zwei sehr schöne Vergleiche. Stellen Sie sich einen Familienvater mit zwei Töchtern vor. Die eine Tochter liebt Süssigkeiten, am liebsten würde sie sich nur von Schokolade ernähren. Sie hat also ein sehr hohes Bedürfnis nach Schokolade, ihre Eltern sehen aber leider einen viel kleineren echten Bedarf. Schokolade in gemässigtem Konsum ist zwar lecker, aber Schokolade im Übermass ist schädlich. Das umgekehrte Beispiel ergibt sich bei der anderen Tochter. Diese hat am Abend überhaupt nicht das Bedürfnis, schlafen zu gehen. Aber ihre Eltern kennen ihren Bedarf an Schlaf und setzen dies, so gut es geht, durch. Das eigene empfundene Bedürfnis und der echte Bedarf können also ziemlich voneinander abweichen – auch wenn uns dieser Umstand überhaupt nicht behagt.

Genau darum sieht die Bibel Reichtum nicht als Bedarf. Das Gefährliche dabei ist nicht das viele Geld. Geld an sich ist nicht schädlich, sondern die Habgier, die sich im Menschen entwickelt. Bei der Habgier strebt man nach immer mehr, nicht nur von Geld. Habsucht kann man auch haben in Bezug auf Status, Macht, Intelligenz oder Schönheit. Habsucht und Gier sind eine Form von Undankbarkeit gegenüber dem, was man bereits hat. Das beste Mittel gegen Habgier ist also, zufrieden zu sein mit dem, was man hat. Eine Möglichkeit dazu ist, bewusst täglich zu danken für alle die guten Dinge in unserem Leben und diese einzeln aufzuzählen.

Bei der Zufriedenheit mit dem, was wir haben, wird uns allerdings regelmässig ein Bein gestellt. Unsere Wirtschaft schürt ganz bewusst unsere Unzufriedenheit: Die Werbung stachelt uns dazu an, immer mehr haben zu wollen und impft uns ein, das Alte, das wir schon haben, sei nicht gut genug. Es ist tatsächlich schwer, sich gegen diese Gehirnwäsche zu behaupten.

Noch einen letzten spannenden Punkt gibt es zu erwähnen: Wenn man beobachtet, wie sich die Regeln, die wir in der Bibel finden, aufs Leben auswirken, dann weisst einem vieles den Weg in den Mittelstand. Gottes Anweisungen für ein erfolgreiches Leben versuchen uns abzuhalten von schädlichen Süchten. Eine Sucht ist nicht nur finanziell teuer, sondern sie macht manchmal sogar arbeitsunfähig. Auch Gottes Wunsch, dass Ehen ein Leben lang halten, wirkt sich nebenbei finanziell aufs Leben aus, gerade bei Alleinerziehenden. Die Bibel ermutigt zu Fleiss und Einsatz für seine Arbeit. Im Thessalonicherbrief heisst es: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“ (2.Thess 3,10). Als Hemmschwelle gegen grossen Reichtum wird jedoch die Bereicherung durch das Ausnützen von anderen verachtet. Und Workaholics wird der Sonntag als Ruhephase ans Herz gelegt.

In der Geschichte des Christentums hat es immer wieder Bewegungen gegeben, die bewusst arm leben wollten, wie auch Franziskus mit seinen Kloster-Brüdern. Das war meistens zu Zeiten, in denen die viele Menschen im andern Extrem gelebt haben und Prunk und Macht über allem standen. In diesen Zeiten hat es die Gegenbewegung als Korrektur gebraucht.

Können auch wir zufrieden sein mit dem, was wir haben, gerade heute? Stellen wir uns in der aktuellen Osterzeit doch einmal diese Frage und erinnern wir uns an den eingangs erwähnten Satz aus dem Buch der Sprüche: „Armut und Reichtum gib mir nicht; lass mich aber meinen Teil Speise geniessen, den du mir beschieden hast.“