Zwischen Freiheit und Fremdbestimmung: Das Kopftuchverbot für Minderjährige entfacht in mehreren europäischen Ländern, darunter die Schweiz und Österreich, eine hitzige Debatte – und wirft grosse Schatten auf den Pausenhof.
Während sich die einen auf Artikel 15 der Bundesverfassung berufen, der jedem Kind Glaubens- und Gewissensfreiheit garantiert, sehen andere im Kinderkopftuch ein Symbol für patriarchale Normen und einen Stolperstein auf dem Weg zu Selbstbestimmung und Gleichberechtigung.
Zwischen sozialem Druck und Ausgrenzung
Die Realität im Schulalltag ist oft weniger bunt als die Kinderzeichnungen an den Wänden: In manchen Schulen werden Mädchen ohne Kopftuch gemobbt. „Es gibt tatsächlich Schulen, in denen schon Erstklässlerinnen Kopftuch tragen. Übrigens weisen muslimische Eltern ihre Mädchen auch zunehmend dazu an, nicht mit Jungen zu spielen. Von Lehrerinnen mit Migrationshintergrund weiss ich ausserdem, dass Mädchen, die kein Kopftuch tragen, von anderen muslimischen Schülern gemobbt werden. Das geht so weit, dass man sie fotografiert und ihnen droht, die Bilder über soziale Netzwerke mit Kommentaren wie ‚ehrloses Mädchen‘ zu verbreiten“, betont Susanne Schröter, Leiterin des Forschungszentrums Globaler Islam. Ein unsichtbarer Zaun verläuft somit mitten durch viele Klassenzimmer.
Laut einer Umfrage von Terre des Femmes beginnen mehr als drei Viertel der muslimischen Schülerinnen schon vor ihrem 14. Geburtstag mit dem Tragen des Kopftuchs. 72 Prozent der befragten Lehrkräfte sehen darin ein Hindernis für die persönliche Entwicklung und mehr als die Hälfte berichtet, dass betroffene Mädchen seltener am Schwimmunterricht oder an Klassenfahrten teilnehmen.
Politische Antworten und rechtliche Gratwanderungen
Der Nationalrat hat im Juni 2024 einen Vorstoss für ein Kopftuchverbot an Schulen und Kindergärten angenommen – mit dem Ziel, allen Kindern gleiche Chancen und Schutz vor sozialem Druck zu bieten. Wo das Kopftuch zum Zankapfel wird, bleibt das eigentliche Ziel – ein freier und offener Lernraum – oft auf der Strecke.
So bleibt die Debatte um das Kopftuchverbot für Minderjährige ein Drahtseilakt zwischen Religionsfreiheit und Kinderschutz – über einem Klassenzimmer, das jedem Kind das Recht auf freie Entfaltung garantieren sollte.
Zukunft CH hat darum ein Video erstellt, das der Frage nachgeht: Ist das Kopftuch ein harmloses Kleidungsstück oder ein sichtbares Zeichen für die frühe Prägung auf traditionelle Rollenbilder?
Hier geht’s zum Video:
Hintergründe zum Thema finden Sie im Infoblatt „Kopftuchverbot bei Minderjährigen“. Sie können es hier herunterladen oder über das Bestellformular beziehen (Bestellungen aus dem Ausland nur bei Übernahme des Portos).