In Wien, der einstigen Hochburg christlicher Traditionen, zeichnet sich ein bemerkenswerter Wandel ab: Muslimische Schüler stellen mit 42 Prozent mittlerweile die grösste religiöse Gruppe an den öffentlichen Volks- und Mittelschulen der Stadt – mit stetig wachsendem Anteil.
Von M. Hikmat
Vor einem Jahr machten muslimische Schüler in Wien noch 39,4 Prozent aus. Die jüngsten Datenerhebung des Büros von Bildungsstadträtin Bettina Emmerling (NEOS) verdeutlichen eine signifikante Verschiebung in der religiösen Zusammensetzung der Schüler. Denn der Anteil der Schüler mit christlichem Glauben beträgt nur noch 34,5 Prozent. Diese Entwicklung wirft Fragen zur Integration, zur Bildungspolitik und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt auf.
Der Wandel in Zahlen
Das religiöse Bild an Wiens Schulen gleicht einem verschobenen Mosaik: Nur noch 17,5 Prozent der Schüler gehören der römisch-katholischen Kirche an – einst das Fundament der Bildungslandschaft. Die orthodoxen Schüler folgen dicht mit 14,5 Prozent. Noch grösser ist inzwischen das Feld derjenigen ohne Bekenntnis, das mit 23 Prozent mehr und mehr Raum einnimmt. Der Buddhismus (0,2 Prozent) und das Judentum (0,1 Prozent) bleiben Randsteinchen – kaum sichtbar im Gesamtbild. Andere Glaubensrichtungen summieren sich auf gerade einmal 0,9 Prozent. Die Erhebung, die auf rund 112‘600 Schülerinnen und Schüler in Volks-, Mittel-, Sonder- und polytechnischen Schulen basiert, zeigt deutlich: Die religiöse Landkarte hat sich grundlegend verschoben – mit neuen Farben, neuen Konturen, aber auch mit wachsender Unschärfe.
Bildungspolitische Reaktionen
Bildungsstadträtin Emmerling weist er darauf hin, dass muslimische Jugendliche in Wien im Schnitt deutlich religiöser sind und vermehrt abwertende Haltungen vertreten, wie Erhebungen zeigen. Konkret gehe es hierbei um antisemitische, frauen- und demokratiefeindliche Einstellungen.
Wenn das Fundament wankt, braucht es keine neuen Vorhänge, sondern tragende Balken. So fordert die Bildungsstadträtin nun ein verpflichtendes Unterrichtsfach ‚Leben in einer Demokratie‘ – und zwar ab der Volksschule. Denn inmitten wachsender kultureller Parallelwelten und religiöser Spannungen soll es, so Emmerling, eine gemeinsame Linie geben, auf der Werte, Ethik und demokratisches Grundverständnis vermittelt werden. Sie begrüsst, dass Bildungsminister Christoph Wiederkehr hier bereits Pflöcke eingeschlagen hat. Denn eines ist klar: Wer das Haus der Demokratie erhalten will, muss früh mit dem Fundament beginnen – und nicht erst dann eingreifen, wenn das Dach brennt.
Weiterführendes zum Thema im Infoblatt von Zukunft CH „Auf dem Weg zu einer Halal-Gesellschaft?“. Sie können es hier downloaden oder über das Bestellformular beziehen. (Bestellungen aus dem Ausland nur bei Übernahme des Portos)
Das könnte Sie auch interessieren: Wien: Integration gescheitert