„Mein grösstes Glück sagt ‚Mama‘ zu mir!“ – „Mein Kind ist das grösste Geschenk meines Lebens!“ So oder so ähnlich äussern sich viele Mütter. Doch es gibt auch das andere Ende der Skala: Mütter, die nicht gerne Mütter sind. Was hat es auf sich mit dem „Regretting Motherhood“, mit dem Bereuen der Mutterschaft? Und passt so ein schweres Thema wirklich zum Muttertag?

Von Ursula Baumgartner

„Ich liebe mein Kind, aber ich hasse es, Mutter zu sein.“ Dieser Satz erschreckt so ziemlich jeden, meist inklusive der Person, die ihn ausspricht oder denkt. Und doch ist das Phänomen „Regretting Motherhood“ gar nicht so selten.

Spielplatzidylle versus Wochenbettdepression

Wie kommt es dazu? Was verbinden wir mit Muttersein? Kuscheln mit einem Neugeborenen, ein Baby, das in den Armen seiner Mama einschläft, tapsige erste Schritte, ein jauchzendes Kleinkind auf der Schaukel. Alles rosig, alles süss. Doch es gibt auch die andere Seite: komplizierte Schwangerschaft, schwierige Geburt, körperliche Erschöpfung, Wochenbettdepression, ein permanent schreiendes Baby, das die Eltern wochenlang nicht mehr schlafen lässt.

Und selbst wenn Schwangerschaft und Geburt problemlos verlaufen: Die Ankunft eines Kindes verändert nicht nur den Körper, sondern auch das Leben grundlegend. Der kleine Mensch, der da zur Welt gekommen ist, fordert einem alles ab, nicht weil er ein Miniatur-Egoist im Strampelanzug ist, sondern weil er in wirklich allem völlig von seinen Eltern und seinem Umfeld abhängt. Dass einen all das an seine Grenzen bringen kann, ist mehr als verständlich.

Angst vor dem eigenen Versagen

Eine Untersuchung zeigt, welche Nöte Frauen verbinden, die ihr Muttersein bereuen: „die fehlende Möglichkeit zur Selbstverwirklichung, den Druck, einem unerreichbaren Mutterschaftsideal gerecht zu werden, das Verantwortungsgefühl für das Kindeswohl“.

Mit anderen Worten: Betroffene Frauen leiden zum einen darunter, keine Zeit für sich und ihre Interessen zu haben. Zum anderen plagt sie die Angst, etwas falsch zu machen und der Verantwortung nicht gerecht zu werden. Diese Aspekte sind durchaus berechtigt. „Bereuende Mütter“ als egoistisch oder gefühlskalt abzustempeln, greift daher viel zu kurz und hilft niemandem. Im Gegenteil: Die Befragten führen an, dass „Scham- und Schuldgefühle aufgrund des Bereuens der Mutterschaft“ sie zusätzlich belasten. Das kann zu einem Teufelskreis führen.

„Generation Maybe“

Interessant dabei ist, dass „Regretting Motherhood“ stark vom Alter der Frauen abhängt. Laut einer Studie aus dem Jahr 2023 bereuen knapp 20 Prozent der Mütter unter 40 Jahren ihre Mutterschaft. Bei Frauen über 40 sind es nur mehr sieben Prozent. Das kann nun daran liegen, dass unter 40-Jährige in der Regel deutlich kleinere Kinder haben, die noch viel mehr Fürsorge benötigen. Je älter und je selbständiger sie werden, desto mehr bekommen Mütter ihr Eigenleben zurück.

Zudem spiegelt dieses Ergebnis aber auch eine weitere gesellschaftliche Entwicklung wider: Jugendliche und junge Erwachsene der „Generation Maybe“ tun sich immer schwerer damit, Entscheidungen zu treffen und zu diesen zu stehen. Unverbindlichkeit ist im Trend, sich Optionen offenzuhalten das Gebot der Stunde. Die Entscheidung für ein Kind ist jedoch eine der grössten, folgenschwersten und unwiderruflichsten, die man im Leben treffen kann. Zeichnen sich dann die Schattenseiten des Mutterseins ab wie z.B. durchwachte Nächte oder Trotzphase des Kleinkinds, stellt manch eine junge Frau die Entscheidung an sich in Frage.

Selbstzweifel versus Selbstwirksamkeit

Die Studie überprüfte auch die Selbsteinschätzung von Frauen bezüglich ihrer elterlichen Fähigkeiten. Es zeigte sich, dass mehr als 40 Prozent der Frauen unter 40 Jahren diese bezweifeln. Befragt wurden sowohl Mütter als auch kinderlose Frauen. Letztere waren noch von deutlich mehr Zweifeln hinsichtlich ihrer Eignung geplagt als Frauen mit Kindern.

Ob dies Ursache oder Wirkung ihrer Kinderlosigkeit ist, ob sie sich also aus Sorge davor, nicht zu genügen, von vornherein gegen ein Kind entscheiden, oder ob sie an ihrer Eignung zweifeln, weil sie nie ihre Selbstwirksamkeit erfahren durften, geht aus der Studie nicht hervor. Doch diese Frage wäre nicht wenig relevant, sagte doch Franz Kafka so treffend: „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.“ So löst sich manch ein Zweifel vielleicht auch in Luft auf, wenn die Frau sich als Mutter kompetent erlebt – nach dem Motto „Das hätte ich mir gar nicht zugetraut!“

Perfektionismus und Planbarkeit

Wie kann man dem „Regretting Motherhood“ nun begegnen? Hilfreich ist sicherlich, sich die Ursachen vor Augen zu führen, die zu so einer Art Trend führen. Das Stichwort Perfektionismus darf hier nicht fehlen. Immer mehr wollen Menschen in nahezu allen Lebensbereichen den perfekten Zeitpunkt abwarten, wollen sich „bereit fühlen“ für Entscheidungen und Veränderungen. Doch nur sehr selten gibt es tatsächlich so etwas wie einen perfekten Zeitpunkt – und wenn, dann identifiziert man ihn oft erst im Nachhinein. Nach und nach sind immer mehr Bereiche unseres Lebens zumindest scheinbar planbar geworden. Dies hat jedoch seinen Preis, denn was planbar ist, muss auch geplant werden.

Parallel mit der Planbarkeit steigt auch der Erwartungsdruck, von aussen und von innen. So wird das ohnehin schon herausfordernde Muttersein zu einer regelrechten Herkulesaufgabe. Hinzu kommt, dass man Müttern heute permanent eintrichtert, sie müssten so schnell wie möglich nach einer Geburt in den Arbeitsmarkt zurückkehren. Dass sie tagtäglich in das gesunde Aufwachsen der nächsten Generation investieren und dabei unendlich viel Lebenskompetenz vermitteln, wird politisch und gesellschaftlich trotz alljährlichem Muttertags-Hype kaum gewürdigt. So stemmen sie die Doppelbelastung von Mutterrolle und Erwerbstätigkeit gleichzeitig, oft genug mit dem Gefühl, keiner der beiden Aufgaben gerecht werden zu können. Überforderung ist eine logische Konsequenz dieser Entwicklung.

Vom „Regretting Motherhood“ …

Was hilft also einer Frau wirklich, die sich in ihrer Mutterschaft gefangen fühlt? Zunächst das, was immer hilft in schwierigen Situationen: sich die negativen Gefühle eingestehen. Auch eine Analyse der Gedanken klärt vieles, sagt Diplom-Psychologin Nicole Engel: „Ist es wirklich der kleine Mensch, den ich bereue zu haben oder sind es eher andere Dinge, die ich vielleicht aufgrund der Mutterschaft nicht mehr in meinem Leben habe?“ Viele Frauen fühlen sich nach der Geburt ihres Kindes nicht mehr als Person gesehen, sondern ausschliesslich als Mutter. Je nachdem, wie wichtig ihr vorher Unabhängigkeit und Spontaneität war, kann es ihr schwerfallen, sich an die völlige Abhängigkeit eines Babys von ihr zu gewöhnen.

Daher ist es umso wichtiger, eine Mutter über ihre Mutterschaft sprechen zu lassen. Dadurch tun sich oft Wege auf, wo vorher die Situation ausweglos schien. Wenn wir an diesem Sonntag wirklich Muttertag feiern wollen, sollten wir vielleicht die Mütter in unserem Umfeld fragen, wie es ihnen mit ihrer Rolle geht und was sie eventuell brauchen, um sich besser, sicherer, kompetenter zu fühlen.

… zu Mutterfreuden

Grundlegend sollten Paare immer wieder darüber sprechen, wie die Arbeit zu Hause so aufgeteilt werden kann, dass keiner davon „erschlagen“ wird. Und auch hier muss das Thema Perfektionismus noch einmal erwähnt werden. Bewusst bei manchen Ansprüchen Abstriche zu machen, kann entspannen und helfen, Prioritäten richtig zu setzen. Ein teurer Markenkinderwagen oder eine geleckt saubere Wohnung sind schliesslich kein Garant dafür, dass man eine bessere Mutter ist.

Auch gelebte Freundschaft und praktische Unterstützung können die Freude am Muttersein fördern. Stundenweise Entlastung in der Kinderbetreuung, eine Einladung zum Mittagessen oder zwei Stunden Unterstützung im Haushalt schafft Müttern Raum zum Durchatmen. Der Muttertag eine gute Gelegenheit, um punktuelle oder regelmässige Hilfe anzubieten. Elternschaft muss nicht allein bewältigt werden, sie ist und war seit jeher ein generationenübergreifendes Gemeinschaftsprojekt.

„Regretting Motherhood“ ist bestimmt nichts, was sich eine Frau wünscht, wenn sie Mutter wird. Aber es ist ein Phänomen, das ernstgenommen werden muss – zum Wohl der Mütter und ihrer Kinder. Der Muttertag ist nicht der schlechteste Zeitpunkt dafür.