Seit Jahren steigt die Zahl der offiziell erfassten Abtreibungen in der Schweiz wieder stetig an. Im März 2025 lancierte darum die Organisation „1000plus Schweiz“ die Petition „Keine weiteren ‚Abtreibungsrekorde‘: Schwangeren in Not helfen“. Ursula Baumgartner von Zukunft CH sprach mit Matthias Schäppi, dem Geschäftsführer der Lebensschutzorganisation, über die Frage, was Frauen im Schwangerschaftskonflikt wirklich hilft.
Zukunft CH: Können Sie kurz umreissen, was das Ziel und Hauptanliegen Ihrer Organisation sind?
Schäppi: Stellen Sie sich eine junge Frau aus dem Kanton Zürich vor. Sie ist verheiratet und hat vor einem knappen Jahr mit ihrem Mann ein Kind bekommen. Nun ist sie, völlig unerwartet, wieder schwanger. Die Geburt des ersten Kindes war nicht einfach, und auch wenn sie zutiefst glücklich ist über ihr kleines Baby und gerne irgendwann ein zweites hätte, ist sie gerade körperlich sehr angestrengt und fühlt sich von der erneuten Schwangerschaft völlig überfordert. Was sie nun bräuchte? Die starke Schulter ihres Mannes. Die ermutigenden Worte ihrer besten Freundin. Die helfende Hand ihrer Mutter.
Doch stattdessen signalisiert ihr Mann, dass ihm ein zweites Kind zu viel ist. Ihre Mutter fragt, warum sie denn nicht besser aufgepasst haben. Ihre Freundin ist gerade mit eigenen Problemen beschäftigt und hört nicht richtig zu. So alleingelassen steht die junge Frau plötzlich vor der Frage „Abtreibung: ja oder nein?“, eine Frage, die sie sich für ihr Leben niemals gewünscht hätte.
Für Frauen in dieser und ähnlichen Situationen da zu sein, ihnen eine Perspektive zu eröffnen, wie es mit dem (weiteren) Kind klappen kann und damit eine echte Alternative zur Abtreibung, das ist das Ziel von 1000plus Schweiz.
Zukunft CH: Wie möchten Sie dieses Ziel erreichen?
Schäppi: Wenn das Umfeld einer schwangeren Frau so völlig ausfällt und womöglich sogar Druck in Richtung Abtreibung ausübt, braucht es eine kompetentes und vor allem leicht zugängliches Beratungsangebot. Wir als 1000plus Schweiz fördern deshalb die Profemina-Beratung: Wir wollen eine Schwangerschaftskonfliktberatung bieten, die wirklich bei den Frauen ankommt: digital, anonym, kostenlos – und zugleich persönlich, empathisch und hochqualifiziert. Die Plattform profemina.org ist darauf ausgerichtet, dass eine Frau in ihrer konkreten Notlage sofort Hilfe bekommt. Nicht morgen, nicht nächste Woche – sondern genau in dem Moment, in dem sie verzweifelt auf ihr Handy schaut und nach Antworten sucht.
Diese Beratung und Hilfe beginnt also online – niederschwellig und vertraulich. Schon in der ersten Antwort erhält die Frau nicht nur Informationen, sondern eine echte Hilfestellung, die sie stärkt und ermutigt. Wir nennen das Digitalberatung. Sie wird ergänzt durch persönliche Gespräche mit unseren professionellen Beraterinnen – viele von ihnen haben Medizin, Psychologie oder Logotherapie studiert.
Gemeinsam mit der Frau arbeiten wir an einer Perspektive, die ihr ein „Ja“ zu ihrem Kind möglich macht. Und hinter allem steht ein grosses Netzwerk von Menschen, die dieses Angebot durch ihre Spenden erst ermöglichen.
Zukunft CH: 1000plus Schweiz lancierte am 9. März 2025 die Petition „Keine weiteren ‚Abtreibungsrekorde‘: Schwangeren in Not helfen“. Was ist der Grund für diese Petition?
Schäppi: Bei 1000plus ist alles darauf ausgerichtet, dass Frauen in Not nicht übersehen, nicht gedrängt und nicht allein gelassen werden. Die Situationen, wie ich Ihnen soeben eine geschildert habe, finden ja nicht im luftleeren Raum statt, sondern mitten unter uns: 12’045 Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2023 sind ein erschreckender Rekord der Hilflosigkeit! Seit der Einführung der Fristenregelung im Jahr 2002 wurden bis heute insgesamt 250’294 Abtreibungen in der Schweiz offiziell registriert.
Diese Zahlen sind weit mehr als blosse Statistik und dürfen uns nicht kaltlassen. Hinter ihnen verbergen sich die Geschichten von über einer Viertelmillion Frauen und ihren Familien! Deshalb hat 1000plus Schweiz es sich also neben der konkreten Beratung und Hilfe für Schwangere in Not auch zur Aufgabe gemacht, die Öffentlichkeit auf die Not von Frauen im Schwangerschaftskonflikt aufmerksam zu machen.
Darum haben wir eine Petition an die Bundesversammlung lanciert, um auch auf Bundesebene alles dafür zu tun, um den traurigen Rekord zu stoppen und echte Perspektiven für Schwangere in Not zu schaffen. Ausserdem sollen steuergeldfinanzierte Beratungsstellen überprüft werden, da viele Frauen dort offensichtlich keine tragfähigen Alternativen aufgezeigt bekommen.
Zukunft CH: Wie viele Menschen haben bisher unterschrieben und wie lange läuft die Petition noch?
Schäppi: Unsere Petition wurde bereits von über 3‘400 Menschen unterzeichnet. Es ist ein starkes und hoffnungsvolles Zeichen dafür, dass vielen Menschen in der Schweiz die Not der Schwangeren nicht gleichgültig ist. Sie wollen nicht länger wegsehen, sondern setzen sich aktiv dafür ein, dass Frauen in schwierigen Situationen echte Perspektiven und tragfähige Alternativen zur Abtreibung erhalten.
Besonders beeindruckend ist die Vielfalt und gesellschaftliche Breite der Erstunterzeichner, die dieses Anliegen öffentlich unterstützen. Aus dem kirchlichen Bereich haben sich Persönlichkeiten wie Dr. Marian Eleganti OSB, emeritierter Weihbischof von Chur, Peter Schneeberger, Präsident des Dachverbands Freikirchen und christliche Gemeinschaften Schweiz, sowie Viviane Krucker-Baud, Generalsekretärin der Schweizerischen Evangelischen Allianz, klar hinter das Anliegen gestellt.
Auch die politische Unterstützung ist breit und parteiübergreifend: Nationalräte wie Lukas Reimann, Jean-Luc Addor, Thomas Burgherr, Thomas Stettler, Nicolas Kolly und Christoph Riner (alle SVP) gehören ebenso dazu wie Andreas Gafner und Erich Vontobel von der EDU. Ebenso dabei sind Daniel Frischknecht, Präsident der EDU Schweiz, sowie Christoph Hochuli, Grossrat EVP Basel-Stadt und viele mehr.
Diese breite Unterstützung zeigt: Die Petition behandelt kein Randthema, sondern ein Anliegen, das tief in der Mitte der Gesellschaft verwurzelt ist – bei Menschen, die Verantwortung tragen und denen das Wohl der Schwächsten nicht gleichgültig ist.
Die Petition läuft noch bis zum 2. Juni 2025, dem Beginn der Sommersession des eidgenössischen Parlaments. Bis dahin zählt jede Stimme. Denn jede Unterschrift ist ein Zeichen für Mitgefühl, für Mut zur Alternative – und für eine Schweiz, in der keine Frau in Not allein gelassen wird.
Zukunft CH: Im Juni kann 1000plus die Petition bei der Bundeskanzlei überreichen. Was erhoffen Sie sich von der Abgabe?
Schäppi: Mit der offiziellen Übergabe dieser Petition am 3. Juni 2025 an jedes einzelne Mitglied der Vereinigten Bundesversammlung geschieht etwas sehr Konkretes – und sehr Wichtiges: Jeder National- und Ständerat erhält diesen Appell schwarz auf weiss auf seinen Tisch. Keiner kann später sagen, er hätte von diesem traurigen Abtreibungsrekord nichts gewusst. Keiner wird behaupten können, ihm sei entgangen, dass über 3’400 Menschen dieses Thema nicht einfach hingenommen, sondern Verantwortung übernommen haben.
Wir wollen mit dieser Petition nicht nur politisches Handeln anstossen, wir wollen Bewusstsein schaffen. Bewusstsein für eine Realität, die in der öffentlichen Debatte kaum vorkommt: Dass viele Frauen im Schwangerschaftskonflikt derzeit eben nicht frei entscheiden können. Dass Abtreibung für viele keine selbstbestimmte Wahl ist, sondern die Kapitulation vor einer ausweglos scheinenden Situation. Wenn es keine Alternative gibt, gibt es auch keine echte Wahlfreiheit. Dann ist die Abtreibung nicht Ausdruck von Autonomie, sondern das Gegenteil: ein scheinbarer Notausgang, den man unter Druck nimmt.
Genau hier setzt unsere Petition an. Sie soll die Politik sensibilisieren, dass diese hohen Abtreibungszahlen ein Alarmzeichen sind für das Fehlen von Hilfe, für das Fehlen von Perspektiven. Es braucht eine politische und gesellschaftliche Antwort auf diese Not – eine, die Schwangeren Alternativen aufzeigt, sie stärkt und ihnen Mut macht, sich für ihr Kind zu entscheiden.
Für alle, die unterschrieben haben, ist die Petition ein klares Zeichen: „Wir haben hingesehen. Wir haben gehört. Und wir haben gehandelt.“ Sie zeigen damit nicht nur Solidarität, sondern auch Haltung. Ich bin überzeugt: Künftige Generationen werden auf diese Zeit zurückblicken und es wird nicht egal sein, wer in dieser Frage geschwiegen hat und wer den Mut hatte, das Leben zu verteidigen.
Zukunft CH: In einem Satz: Was möchten Sie den Politikern der Schweiz zurufen?
Schäppi: Geben Sie Schwangeren in Not, die von ihrer Umgebung im Stich gelassen werden, ihre Wahlfreiheit zurück, indem Sie ihnen echte Alternativen und konkrete Hilfe für ein Leben mit ihrem Kind ermöglichen!
Zukunft CH: Vielen Dank für das Gespräch!
Die Petition kann noch bis zum 2. Juni 2025 unterzeichnet werden unter www.1000plus.ch
Vielen Menschen ist nicht klar, was eine Abtreibung wirklich bedeutet, wie sie abläuft und welche Konsequenzen sie nach sich ziehen kann. Zukunft CH hat darum den Faltflyer „Abtreibungsmethoden: Fakten und Folgen“ erstellt, der diese und weitere Fragen beantwortet. Er kann über das Bestellformular bezogen werden (Bestellungen aus dem Ausland nur bei Übernahme des Portos).