Schon seit Jahren wird nun Weihnachten, das Fest des Friedens, zum Anlass für blutigen Terror: im Irak, Ägypten und diesmal Nigerien. Schon zu Weihnachten 2010 hatten im mit seinem Ölreichtum bedeutendsten Land Afrikas 80 Menschen bei der Christmette in gestürmten, gesprengten und niedergebrannten Kirchen den Tod gefunden. Diese Todesserie geriet aber bald über den Neujahrsmorden an koptischen Christen in Alexandria in den Hintergrund und allzu rasch in Vergessenheit. Jetzt aber haben islamische Extremisten in Nigeria erneut zugeschlagen, nicht nur im von einem immer radikaleren Islam dominierten Norden, sondern nahe der Hauptstadt Abuja. Allein dort kamen 40 Christen in den Trümmern ihrer Kirche ums Leben. Aber auch nach Weihnachten kommt die islamistische Gewalt nicht zur Ruhe: Zu Dutzenden werden christliche Geschäfte in Brand gesteckt, die Besitzer sind mit ihren Familien auf der Flucht Richtung Süden.
Schon lang werden politische Machtkämpfe in Nigeria an den Frontlinien der Religionen ausgetragen. Die britischen Kolonialherren hatten das Land aus Moslem-Kleinstaaten im Norden und einem christlich missionierten Süden zusammengeklatscht. Ihr Gegensatz brach schon bald nach der Unabhängigkeit von 1960 aus: im Biafra-Konflikt mit seinen erschütternden Bildern verhungernder Kinder.

Eigentlich war das aber nicht typisch für den in der Sahelzone seit Jahrhunderten gelebten Islam. Ihn hatten esoterische Derwischbruderschaften geprägt, bodenständiges afrikanisches Brauchtum spielte eine weitaus grössere Rolle als das strikte Glaubensrecht der islamischen Scharia. Andererseits kam es gerade in diesen Sudanländern im 19. und frühen 20. Jahrhundert zu besonders militanten Moslem-Reaktionen auf den vordringenden Kolonialismus und die in direktem Zusammenhang mit diesem gesehene Mission christlicher Kirchen. Bei uns ist davon nur der Mahdi-Aufstand am oberen Nil und seinen Quellflüssen bekannt. Haben über ihn doch der Wiener Abenteurer Rudolf Slatin ebenso wie der Südtiroler Missionar P. Joseph Ohrwalder berichtet. Doch schon Jahrzehnte zuvor wurde ganz Westafrika vom so genannten „Grossen Dschihad“ erdschüttert. Ihn führte um 1850/60 der selbsternannte Kalif Hadsch Omar sowohl gegen die noch an ihren Naturreligionen hängenden Schwarzen wie zunehmend gegen Franzosen und Engländer, die christlichen Glaubensboten und alle von ihnen Bekehrten. Dieser „Heilige Krieger“ war von beispielloser Grausamkeit, für die von ihm Besiegten gab es keine Gnade, er liess alle männlichen Gefangenen töten, Frauen und Kinder in das heutige Libyen in die Sklaverei verkaufen. Sein Ungeist ist in Nigeria mit der islamischen Terrorsekte Boko Haram aufs Neue ausgebrochen.

Boko Haram: Das ist ihr populärer Name. Er bedeutet „Bücher verboten“, womit die Ablehnung jeder christlich-abendländischen Bildung und Zivilisation gemeint wird. Das trifft für die Mitglieder der Boko Haram zu, doch ist ihre offizielle Selbstbezeichnung „Verband der Sunniten für Islam und Dschihad“ noch vielsagender. Wobei Sunnit im afrikanischen Sprachgebrauch weniger Angehörige der sunnitischen islamischen Konfession, als besonders strenge Moslems im Allgemeinen meint. Boko Hamran machte schon bald nach dem Ende der strikten nigerianischen Miltiärherrschaft 1999 von sich reden. Das Vorbild sind die Taliban in Afghanistan mit ihrem dem mittelalterlichen Islam nachgeformten totalitären Staatsverständnis. So nannten sie auch ihr erstes grosses Trainingslager für Terroristen an Nigerias Nordgrenze „Afghanistan“. Inzwischen hat Boko Haram aber auch direkte Kontakte zu afghanischen Schulungszentren für einen globalen Dschihad hergestellt, ist ebenso mit Al-Qaida im Bund. Damit mordet und quält diese Variante islamistischen Terrors nicht nur die nigerianischen Christen: Boko Haram wird zur Gefahr für die Welt!

Von Heinz Gstrein