Der österreichische Philosoph Peter Strasser kritisiert in der Welt am Sonntag unter dem Titel „Jeder Mensch ist religiös“ den so genannten „Neuen Atheismus“ von Richard Dawkins. Die menschliche Existenz verliere ohne den Bezug auf das Absolute und auf Transzendenz ihren Sinn, so der Philosoph.
In seinem Kommentar geht der Professor der Universität Graz auf die Vorstellungen von Atheisten ein, für die Religion und Glauben ad absurdum zu führen sei. Jedoch sei „für viele Menschen, und zwar auch solche, die gar nicht gläubig sind, die Vorstellung einer Gesellschaft ohne Religion an sich trostlos“. Ohne religiösen Hintergrund seien viele Institutionen, Erfahrungsweisen und Gefühle des Alltags nicht denkbar.

Besondere Aufmerksamkeit schenkt Strasser dem „Blinzeln“. Er zitiert Nietzsche und erklärt, dass auch Atheisten vor religiösen Fragen „blinzeln“. Damit versuchten sie sich vor Glaubensthemen zu schützen. Bei Nietzsche sei das Blinzeln der letzten Menschen ein verräterisches Zeichen, sagt der Philosoph und beschreibt: „Als ob sie sich ständig vor dem Licht einer Sonne schützen wollten, von der sie behaupten, ihre Strahlen könnten ihnen nicht mehr gefährlich werden! Dieses Dauergeblinzle ist am ehesten entschlüsselbar als die Vorspiegelung von Gelassenheit: als eine Schutzmaßnahme gegen ebenjenen Sinn fürs Religiöse, der Nietzsches letztem Menschen in seinem kleinen Glück angeblich völlig fremd geworden ist.“

Und der Autor zahlreicher Bücher scheut an dieser Stelle auch den Vergleich zu Richard Dawkins nicht: „Nietzsches letzter Mensch ist Dawkins‘ Mensch, ein ‚Bright’, doch nicht ganz und gar: Denn er blinzelt. Würde er aufhören zu blinzeln, so hätte er aufgehört, Mensch zu sein – erst dann wäre er wirklich ‚durchgehend säkularisiert’.“