Was Bundesrat Beat Jans Ende März 2025 sagte, steht im Widerspruch zu den Aussagen der EU-Kommission. Wie bei den WHO-Verträgen hat man auch bei den EU-Abkommen den Eindruck, dass der Bundesrat nicht bereit ist, die Fakten der ausgehandelten Verträge offen und transparent zu kommunizieren. Und dabei geht es für die Schweiz und die Bürger um Grundlegendes.
Von Ralph Studer
Im Vergleich zum EU-Rahmenabkommen, dessen Verhandlungen der Bundesrat im Jahr 2021 abgebrochen hat, hat sich nichts geändert: Die für die Schweiz umstrittenen Themenbereiche wie Lohnschutz, Zuwanderung und die institutionellen Fragen sind auch in den aktuellen EU-Abkommen weiterhin die Knackpunkte, insbesondere die Auswirkungen der Rechtsübernahme auf die direkte Demokratie.
EU versteht Schutzklausel anders als der Bundesrat
Mit dem neu verhandelten EU-Abkommen, so Bundesrat Jans, könne die Schweiz die Zuwanderung steuern. Es sei die bessere Lösung als die Nachhaltigkeitsinitiative der SVP. Jans sagte sogar, dass die Schweiz mit der Schutzklausel Kontingente einführen könne.
Damit vermittelt der Bundesrat den Eindruck, als könne er notfalls Abhilfemassnahmen gegen eine hohe Zuwanderung selbst beschliessen. Darüber entscheidet aber das geplante Schiedsgericht. Jans‘ Aussagen stehen auch im Widerspruch zu der bisher klar vertretenen Haltung der EU, dass die Schweiz bei der Personenfreizügigkeit nicht via Schutzklausel einseitig Abhilfe schaffen kann.
„Schweiz kann Freizügigkeit nicht beschränken“
Im Faktenblatt der EU zu den Verhandlungen mit der Schweiz heisst es: „Die Schweiz kann die Freizügigkeit nicht beschränken, und daran wird sich auch mit dem aktualisierten Abkommen nichts ändern.“ Die Schweiz könnte somit theoretisch in ihrem Recht Massnahmen wie Kontingente vorsehen. Nur anwenden darf sie diese nicht. Denn sonst stünde sie im Widerspruch zur Personenfreizügigkeit und würde sich Schwierigkeiten einhandeln: Die EU ist am längeren Hebel und könnte dann entsprechende Sanktionen (etwas schönfärberisch offiziell als „Ausgleichsmassnahmen“ bezeichnet) gegen die Schweiz verhängen.
Das heisst im Klartext: Die Schweiz hat mit der EU einen Prozess ausgehandelt, welcher der EU das Recht gibt, selbst bei gerechtfertigten Massnahmen durch die Schweiz Sanktionen gegen selbige zu verhängen. Ob dies eine bessere Lösung ist als die besagte Nachhaltigkeitsinitiative, wie es Jans darstellt, darf bezweifelt werden.
Fehlende Kommunikation schafft Misstrauen
Dass Bundesrat Jans diese Risiken für die Schweiz nicht klar kommuniziert, ist unverständlich und schafft alles andere als Vertrauen in die bundesrätliche EU-Politik. „Entweder nimmt Jans“, so der Journalist Dominik Feusi, „ein Streitbeilegungsverfahren und die dabei drohenden Sanktionen in Kauf oder er gaukelt der schweizerischen Öffentlichkeit etwas vor, was er gar nie im Sinn hat zu tun.“
Dass das Justizdepartement, wie Feusi weiter schreibt, sich weigerte, Fragen zu den Widersprüchen zwischen den Aussagen von Bundesrat Beat Jans und der EU-Kommission respektive dem EU-Recht zu beantworten, überrascht deshalb nicht.