Hasen und Eier. In der Natur haben sie wenig miteinander zu tun. Doch symbolisch tauchen sie oft im Zusammenhang mit Ostern auf. Werfen wir also einen genaueren Blick auf das Osterei!

Von Ursula Baumgartner

Hasen legen keine Eier. Wie kam es also zu der Vorstellung des eierbringenden Langohrs? Beide – Hase und Ei – sind Symbole für das Leben, das biologisch betrachtet im Frühjahr und religiös betrachtet an Ostern ganz neu ersteht.

Vom „Carnevale“ bis zum Osterei

Der Hase steht für das Leben, da diese Spezies so häufig und so viele Nachkommen bekommt. Wie sieht es mit dem Osterei aus? In früheren Zeiten war es üblich, während der Fastenzeit völlig auf Fleisch und Eier zu verzichten. Der Begriff „Karneval“ für die Zeit direkt vor der Fastenzeit leitet sich genau davon ab: Man sagt dem Fleisch („carne“) auf Wiedersehen („vale“). Umso mehr genoss man diesen Luxus dann zum Osterfest wieder.

Unabhängig vom Nährwert des Ostereis und seiner symbolischen Bedeutung verdient das Vogelei jedoch einmal einen genaueren Blick. Bei diesem Thema zeigt sich wieder einmal die Vielfalt der Natur. Das kleinste, leichteste Vogelei der Welt legt die Bienenelfe, eine klitzekleine Kolibriart. Ihre Eier wiegen lediglich ein halbes Gramm. Die des Afrikanischen Strausses dagegen bringen fast zwei Kilogramm auf die Waage.

Das klassische Osterei ist das Hühnerei, das in der Regel zwischen 50 und 70 Gramm wiegt. Schlägt man ein rohes Ei vorsichtig auf, kann man den kugeligen, gelben Dotter und das glibberige Eiweiss oder Eiklar unterscheiden. Bei befruchteten Eiern schwimmt auf dem Eidotter die sogenannte Keimscheibe. Diese enthält den Embryo, aus dem sich beim Brüten das Küken entwickelt.

Wer auch immer zuerst da war: Das Huhn brütet

Das Gelege einer Henne besteht meist aus fünf bis acht Eiern, die sie dann bebrütet. Etwa 21 Tage nach dem Legen schlüpfen die Küken. Obwohl die Eier an mehreren Tagen nacheinander gelegt werden, schlüpfen alle Küken am selben Tag. Wie das? Der bereits erwähnte Hühnerembryo entwickelt sich schon ein wenig, bevor das Ei gelegt wird. Dafür braucht er warme Bedingungen. Ausserhalb des Hühnerkörpers ist es jedoch deutlich kühler als innen. So wird die weitere Entwicklung des Embryos nach dem Legen zwischenzeitlich „auf Pause gedrückt“, bis die Henne zu brüten beginnt.

In den drei Brutwochen geht es dafür rasant weiter. Das Ei erweist sich während dieser Zeit als perfekt organisierte „Kükenproduktionsstätte“. Die Keimscheibe, die den Embryo enthält, sollte immer möglichst nah am warmen Körper der Henne liegen, damit sich das Küken optimal entwickeln kann. Doch das Ei kann im Nest ein wenig hin und her rollen. Daher ist der Eidotter über die sogenannten Hagelschnüre innen an der Schale befestigt. Sie sorgen dafür, dass sich der Dotter immer so dreht, dass die Keimscheibe oben zu liegen kommt.

Der Eidotter dient dem Embryo und dem sich entwickelnden Hühnchen als Energie- und Nahrungsvorrat. Das Eiklar versorgt es mit Flüssigkeit und wirkt als Stossdämpfer. Untersuchungen haben ergeben, dass sich nach und nach erst Adern, dann Kopf, Augen und die Wirbelsäule des Kükens zeigen. Nach 14 Tagen bilden sich die ersten Federn. Eine Woche später hackt das kleine Hühnchen mit einem eigens dafür angelegten „Eizahn“ die Kalkschale von innen auf, befreit sich aus dem Ei und ist wenig später bereit für die erste Futtersuche – noch unter Anleitung der Henne.

Aber kann das Küken denn nicht im Ei ersticken? Nein, denn auch ein Luftvorrat ist eingebaut. Schlägt man ein hartgekochtes Ei am stumpfen Ende auf, bemerkt man einen kleinen Hohlraum zwischen Eiweiss und Schale. Über diese Luftkammer bekommt das Küken Sauerstoff und kann Kohlenstoffdioxid abatmen. Winzige Poren in der Eierschale machen es möglich, dass diese Gase mit der Umgebung ausgetauscht werden.

Wunderwerk Osterei

Dieses Potential steckt also in jenem kleinen, kalkumhüllten Oval, das wir „Ei“ nennen und schon so oft gedankenlos gegessen oder in den Kuchenteig gerührt haben. Eier, die in den Handel kommen, sind zwar meistens unbefruchtet. Aus ihnen könnte sich also eigentlich kein Küken entwickeln, weil die „Bauanleitung“ fehlt, die im Embryo verschlüsselt enthalten ist. Kleine rote Punkte, die man eventuell im oder auf dem Eidotter des Frühstückseis findet, sind keine Hühnerembryonen. Hierbei handelt es sich vielmehr um kleine Blutflecken, die bei der Bildung des Eies dort eingeschlossen wurden.

Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass so ein Ei ein kleines Wunderwerk ist. Denn damit all das so zügig und reibungslos funktioniert, muss im Ei bereits alles angelegt sein, woraus man – mit der richtigen Anleitung und bei der richtigen Temperatur – ein Küken bilden kann. Halten wir hier einen Moment inne und staunen kurz: Die Anleitung im Embryo sorgt dafür, dass die „Rohstoffe“ Eiweiss und Eidotter in Knochen, Haut, Schnabel, Augen, Muskeln, eine Lunge, Federn, Krallen und vieles mehr umgebaut werden. Ist das nicht faszinierend?

Frohe Ostern wünscht das Team von Zukunft CH!