Daniel Ric hat in einem Essay bedenkenswerte Überlegungen zur „Ehe für alle“ vorgelegt, die das Potential haben, eine emotionsgeladene Diskussion auf eine sachliche Ebene zu führen.

Ric hält es beispielsweise für auffällig, „wie leichtfertig von Ehe für alle gesprochen wird, ohne sich zu überlegen, wer ‚alle‘ eigentlich sein könnten, wenn dieser Gedanke radikal zu Ende gedacht wird.“ Die positive Formulierung der Ehe als geschützter Bund eines Mannes und einer Frau würde im Falle einer Ausweitung auf homosexuelle Paare noch viel mehr den Vorwurf der Diskriminierung nach sich ziehen, „wenn polygame oder platonische Beziehungen aus dieser Definition ausgeschlossen werden.“ Entweder sei, so Ric, die Beschränkung der Ehe auf zwei Personen „einer ewigen Idee geschuldet, die metaphysischen Ursprungs ist, oder der biologischen Tatsache, dass es zwei Menschen –Mann und Frau – benötigt, um ein Kind zu zeugen, oder es ist ein rein gesellschaftliches Konstrukt, das wandelbar ist.“ Da sich aber die Befürworter der „Ehe für alle“ nur schwerlich auf die ersten beiden Begründungen stützen könnten, müssten sie – konsequenterweise – die dritte Position einnehmen, die aber eine Ausweitung des Ehebegriffs auf Beziehungen mit mehr als zwei Personen erlauben müsste.

In dieser Logik sieht Ric das Dilemma aller philosophischen Positionen, die gesellschaftliche Verhältnisse nur als Konstrukte betrachten, die den gerade herrschenden Machtverhältnissen in der Gesellschaft entsprechen. Doch leider finde diese Tatsache bei den Befürwortern der „Ehe für alle“ „in ihrer Euphorie darüber, dass gesellschaftliche Konventionen gebrochen und traditionelle Wertvorstellungen ersetzt werden“, keine Berücksichtigung. Langfristig könnte sich dies, so warnt Ric, für die Akzeptanz homosexueller Individuen negativ auswirken. Die Dekonstruktion des Ideals der Ehe von Mann und Frau werde nämlich, so Rics Einschätzung, „nicht der geschlechtlichen Verbindung schaden, auf die keine Gesellschaft verzichten kann, sofern sie überleben möchte“. Vielmehr werde diese Dekonstruktion besonders in Zeiten eines wirtschaftlichen Niedergangs, unsicherer Sozialwerke aufgrund tiefer Fertilität und demographischer Stagnation gegen jene Verbindungen gerichtet sein, die „aus einer utilitaristischen Sichtweise der Gesellschaft keinen Nutzen bringen“.

Rics Text fasst in freier Form die Salongespräche 2018 der Zürcher „Paulus-Akademie“ zu aktuellen Herausforderungen für die christliche Anthropologie zusammen.