Die Rechtskommission des Nationalrats wird nach Aussage ihres Präsidenten Jean Christophe Schwaab (SP) bald einen Erlass zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative „Ehe für alle“ der Grünliberalen Fraktion ausarbeiten. Dabei soll geprüft werden, ob die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gar auf der Gesetzesebene bewerkstelligt werden könnte. Ein solches Vorgehen wäre allerdings verfassungswidrig und eine grobe Missachtung des Souveräns.

Von Dominik Lusser

Für die Befürworter der Homo-„Ehe“ wäre eine Umsetzung per Gesetz der weitaus bequemere Weg. Es bräuchte dafür, im Fall einer allfälligen Referendumsabstimmung, nur ein Volksmehr. Eine Verfassungsänderung hingegen würde zwingend eine Volksabstimmung erfordern und könnte zudem am Ständemehr scheitern. Allein schon die Frage, auf welchem Weg die gesellschafspolitische Revolution – welche die Homo-„Ehe“ ohne Zweifel darstellt – überhaupt möglich ist, ist also politisch höchst brisant.

Polit-Propaganda

Mit Ständerat Daniel Jositsch und Nationalrätin Chantal Galladé argumentieren zwei prominente Vertreter einer Gesetzes-Lösung, der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von der Ehe stelle eine verfassungswidrige Einschränkung des Grundrechts auf Eheschliessung und ein Verstoss gegen die Menschenrechte dar. Am liebsten würden die beiden die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gleich auf gerichtlichem Weg erstreiten. Mit Blick auf die USA, wo das oberste Gericht einen Volksentscheid gegen die Homo-„Ehe“ in Kalifornien wieder aufhob, fragen Galladé und Jositsch in einem 2015 veröffentlichten Beitrag: „Es stellt sich ohnehin die Frage, ob es gesellschaftspolitisch überhaupt angebracht ist, das verfassungsmässig garantierte Menschenrecht auf Eheschliessung dem Stimmvolk zur Abstimmung zu unterbreiten.“

Ein nüchterner Blick auf die Bestimmungen der Bundesverfassung und der international anerkannten Menschenrechte zur Ehe erweist die Argumente der beiden SP-Exponenten jedoch als unbegründete Polit-Propaganda. Wenn Schweizer Behörden und Gerichte nur die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft von Frau und Mann als Ehe anerkennen, so ist das keineswegs ein Verstoss gegen die Menschenrechte, geschweige denn ein Widerspruch zur Schweizer Bundesverfassung. Nur lassen wir uns in der Schweiz eben nicht so leicht wie die Amerikaner von ideologisch besetzten Gerichten anstatt vom gewählten Gesetzgeber regieren.

Kein Menschenrecht auf Homo-„Ehe“

In Art. 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) heisst es: „Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter haben das Recht, (…) eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.“ Zwar legt der Strassburger Gerichtshof seit einem Urteil von 2010  (Schalk & Kopf v. Österreich) diesen Artikel nicht mehr im Sinne eines Ausschlusses gleichgeschlechtlicher Paare aus. Im Sommer 2016 hat der EGMR allerdings im Fall Chapin & Charpentier gegen Frankreich bestätigt, dass gleichgeschlechtliche Paare kein Menschenrecht auf Homo-„Ehe“ geltend machen können. Es verstosse also nicht gegen den Diskriminierungs-Artikel 14 der EMRK, homosexuellen Paaren das Recht auf Eheschliessung zu verweigern. Der EGMR anerkennt zwar, wenn Mitgliedstaaten die Homo-„Ehe“ einführen. Gleichzeitig hält der Strassburger Gerichtshof aber implizit an der Zweigeschlechtlichkeit einer Lebensgemeinschaft als notwendige Voraussetzung dafür fest, die Eheschliessung als Menschenrecht einzuklagen.

Ebenso wie Art. 12 EMRK, so sagt zwar auch Artikel 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte („Heiratsfähige Männer und Frauen haben (…) das Recht, zu heiraten und eine Familie zu gründen.“) nicht explizit, wer wen heiraten darf. Allein aufgrund des Alters der Erklärung (1948) sowie der bis heute weltweit klar vorherrschenden Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Ehe (in lediglich 21 Ländern ist sie erlaubt) kann jedoch eine Inanspruchnahme der UN-Menschenrechtserklärung für die Homo-„Ehe“ ausgeschlossen werden. Sie würde der Aussageintention des Dokuments und dem Willen der UNO-Generalversammlung klar widersprechen.

Das Wesen der Ehe

Ferner nennt die Erklärung von 1948 die Ehe in einem Atemzug mit dem Recht auf Familiengründung. Auch dies ein klarer Hinweis, dass die UN-Menschenrechtserklärung nur verschiedengeschlechtliche Paare im Blick hat. Warum wohl? Weil die Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau schlicht und einfach eine ganz andere Realität darstellt als eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft. Nur jeweils ein Mann und eine Frau können auf eine Art zusammen eins werden, dass daraus ein Kind entsteht. Dieses unverwechselbare Wesen der Ehe ist die Kernzelle der ungebrochenen natürlichen Familie, welche das bestmögliche Umfeld für die Entwicklung von Kindern darstellt. In der Schweiz werden fast 80 Prozent der Kinder in einer Ehe geboren. Die Ehe als (vorstaatliche und zugleich staatlich geregelte)  Institution mit ihren spezifischen Normen der Exklusivität und Dauerhaftigkeit bietet ganz offensichtlich den nötigen Schutzraum, in dem sich Männer und Frauen grossmehrheitlich dazu entscheiden, ein Kind zu zeugen und grosszuziehen. Dies ist der Grund, warum ein am Gemeinwohl und an nachhaltiger Entwicklung interessierter Staat die Ehe vor allen anderen Lebensgemeinschaften besonders schützt.

Auch in Art. 14 BV heisst es dem Wortlaut nach zwar lediglich: „Das Recht auf Ehe und Familie ist gewährleistet“. Die Behauptung von Jositsch und Galladé, ein Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von der Ehe würde den Wortlaut dieser Verfassungsbestimmung einschränken, ist jedoch haltlos. Denn mit einer entsprechenden Auslegung durch die Schweizer Behörden und Gerichte wird niemand vom Grundrecht der Ehe ausgeschlossen. Wohl aber wird damit zum Ausdruck gebracht, dass nicht jede Lebensgemeinschaft als Ehe gelten und entsprechend geschützt werden kann. Der Ausschlussgrund bezieht sich also nicht auf eine Gruppe von Menschen – so wie früher Ehen zwischen Schwarzen und Weissen in den USA verboten waren –, sondern auf das Wesen der Ehe selbst.

Verfassungsänderung unumgänglich

Im Zusammenhang mit der Interpellation Thorens Goumaz (13.4254) stellte der Bundesrat 2013 klar: Die traditionelle Definition der Ehe als „auf Dauer angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau“ ist nicht neu, sondern entspricht der geltenden Auslegung von Artikel 14 BV. Eine Ausweitung auf alle Formen des Zusammenlebens würde hingegen „dem Grundgedanken des Instituts Ehe widersprechen“. In der Botschaft zur neuen Bundesverfassung, die für deren Auslegung massgeblich ist, schloss der Bundesrat nicht-heterosexuelle Verbindungen sogar explizit vom Institut der Ehe aus: „Es erstreckt sich weder auf Ehen zwischen Transsexuellen noch auf homosexuelle Ehen. (…) Das Institut der Ehe war stets auf die traditionellen Paare ausgerichtet.“

Was Jositsch und Galladé als bloss „historische und religiöse Verankerung des Instituts Ehe“ kritisieren, ist also nicht  eine willkürliche „Interpretation“, sondern die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers. Ein Blick auf das Gesamtgefüge des Schweizer Rechtssystem zeigt klar, dass die Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare zur Ehe eine Verfassungsänderung notwendig macht. Würden andere Wege beschritten, wäre das eine schwere Missachtung der Verfassung, d.h. des Souveräns. Auch hätte eine derartige Beugung des Rechts, die zudem eine gesellschaftlich hoch brisante Frage betrifft, einen Vertrauensverlust in die Schweizer Rechtsordnung und die gesetzgebenden Behörden zur Folge. Geht es also mit rechten Dingen zu, führt an einer Verfassungsänderung kein Weg vorbei.

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Weiterführende Analyse

Lesen Sie auch die ausführliche Analyse von Zukunft CH zur Frage, wieso es zur Umsetzung der „Ehe für alle“ zwingend eine Verfassungsänderung braucht: „Ehe für alle“: Verstoss gegen die Verfassung?