Auch wenn wir kürzlich Muttertag gefeiert haben: das „Mutter-Sein“ ist gegenwärtig hart umkämpft. Frauen, die sich dafür entscheiden, „nur“ Mutter zu sein und zu Hause bei den Kindern zu bleiben, müssen sich schon fast dafür rechtfertigen, dass sie „nicht arbeiten gehen“. Und sie stehen unter Generalverdacht, ihre Persönlichkeit nicht zu entfalten, ihren Intellekt nicht zu fördern und kläglich zu Hause zu versauern.

Von Regula Lehmann

Persönlich erlebte ich gerade das Gegenteil. Ich halte das Mutter-und Vatersein für die effektivste und gewinnbringendste aller Weiterbildungen. Kinder schleifen unseren Charakter, halten uns immer wieder den Spiegel hin und sprechen aus, wofür wir beim Psychiater teuer bezahlen müssten. Das Eltern-Sein fördert unsere Liebesfähigkeit, verstärkt den Geduldsfaden und macht uns zu  Top-Arbeitskräften und krisentauglichen Alltagsmanagern. Wer sonst kriegt so viele Aufgaben gleichzeitig, effizient und schwungvoll unter einen Hut? Die Wirtschaft müsste sich eigentlich um Vollzeitmütter und -Väter  reissen, wenn diese nach der Kinderphase wieder in die Arbeitswelt einsteigen wollen!

Freiräume

Mein eigenes Vollzeitmutter-Sein eröffnete mir Freiräume, die ich als hochprozentig berufstätige Frau nicht gehabt hätte. Ich engagierte mich ehrenamtlich in vielfältigen Projekten und hatte die Chance, Neues auszuprobieren und dabei meine Stärken und Grenzen auszuloten. Viel Zeit investierte ich in den Aufbau von Freundschaften, die bis heute mein Leben reich machen. Gemeinsam mit anderen Müttern und deren Kindern unterwegs zu sein bot unzählige Möglichkeiten zu Gesprächen, die mich weitergebracht und beziehungsfähiger gemacht haben. Die unterschiedlichsten Menschen streckten immer wieder mal die Beine unter unserem Familientisch aus und genossen es, Teil einer Familie zu sein. Viel Spontanität und Miteinander, viel voneinander Lernen und sich gegenseitig unterstützen war nur deshalb möglich, weil ich vollzeitlich zu Hause war. Und überall gibt es Kinder, die enorm davon profitieren, dass es Eltern gibt, die Zuhause sind und auch mal ein zusätzliches Kind unter ihre Fittiche nehmen, Schulfahrten abdecken oder…

Unterdessen coache ich Eltern, führe Kurse durch und schreibe Bücher und Artikel. Mein Leben ist erfüllt und alles andere als langweilig. Lassen wir uns nicht zu sehr von aussen unter Druck setzen und gängeln.

Nicht zuletzt unser Staat ist dringend auf Mütter und Väter angewiesen, die sich mit Herzblut in Familie und Gesellschaft investieren. Vollzeit-Mutter? Aber ja doch, oder vielleicht besser: Warum denn nicht?!