Eine Volks­ini­tia­ti­ve, für die ab Oktober 2017 Unter­schrif­ten ge­sam­melt wird, will bei der Organ­spen­de eine Wi­der­spruchs­lösung ein­füh­ren. Das Begehren wird von der jungen Wirtschaftskammer Schweiz getragen. Unterstützt wird die Initiative von „Swisstransplant“. Die Theologin Ruth Baumann-Hölzle, Leiterin des Insituts „Dialog Ethik“, hält dieses Vorgehen zur Lö­sung des Prob­lems einer zu ge­ri­ngen Spen­de­be­reit­schaft allerdings für frag­würdig. Denn: Hat sich jemand nicht zu Leb­zei­ten ge­gen eine Organ­ent­nah­me aus­ge­spro­chen, wird seine Zustimmung vorausgesetzt.

Die Initiative will die bis­he­ri­ge „er­wei­ter­te Zu­stim­mungs­lösung“, welche die mut­mass­liche Ein­wil­li­gung des Organ­spen­ders oder zu­min­dest seiner Angehörigen voraus­setzt, durch eine „erweitere Widerspruchslösung“ ersetzen.

Gemäss diesem Vorschlag dürfen, so Baumann-Hölzle im Newsletter von „Dialog Ethik“, Men­schen, bei denen der Hirn­tod natürlich ein­ge­tre­ten oder durch das Ab­stel­len von lebens­er­hal­ten­den Mass­nah­men ausgelöst worden ist, Orga­ne ohne Kennt­nis ihres mut­mass­lichen Wil­lens auto­ma­tisch ent­nom­men wer­den, sofern sie sich zu Leb­zeiten nicht gegen eine Organ­ent­nahme aus­ge­sprochen ha­ben. Ganz abgesehen von der Fragwürdigkeit des Hirntodkriteriums, auf das Baumann-Hölze aber nicht eingeht, wird ihr zufolge „in Kauf ge­nom­men, dass man allen­falls einem Men­schen Or­ga­ne ent­nimmt, der dies nicht wollte“.

Mit der „er­wei­ter­ten Wider­spruchs­lösung“ steht laut der Theologin der Anspruch des Men­schen auf Auto­no­mie und Integrität auf dem Spiel. Bei­spiels­weise würde damit Men­schen mit wenig Bil­dung oder ge­rin­gem Sprach­ver­ständnis der Schutz ihrer Integrität er­schwert. Baumann-Hölzle warnt auch vor einer „mas­si­ven Instrumen­ta­li­sie­rung des Men­schen“. Dass sich die Wider­spruchs­lösung neu auch „an­ge­nom­mene Zu­stimmung“ nenne, be­schönige diesen Tat­bestand.

Schliesslich stellt die Institutsleiterin auch die Frage, ob die Volksinitiative den Mangel an gespendeten Organen nicht noch verschärfe: Eine Organ­spende be­ruht vor al­lem auf dem Ver­trauen in Ins­ti­tu­tio­nen, das es zu fördern gilt. „Nur wenn auch das Spital­per­so­nal, das die Organe ent­neh­men muss, sich sicher sein kann, dass die­s dem Wil­len des Pa­tien­ten oder der Pa­tien­tin ent­spricht, wird es da­durch nicht zu stark be­las­tet.“ Erst recht gelte dies für die zurück­blei­ben­den und trauern­den Angehörigen.